05.02.19 –
Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 24.11.2018
Schule fürs Leben: Bessere Schulen, mehr Qualität und gerechtere Bildungschancen für die Kinder dieser Stadt
Kinder und Jugendliche sind neugierig, entdecken und entwickeln ihre Persönlichkeit, ihre Fähig- und Fertigkeiten, gehen Risiken ein und lernen über Erfolge und empfundene Misserfolge in möglichst freien und kreativen Prozessen. Bildung ist ein wichtiger Schlüssel zu einem demokratischen und selbstbestimmten Leben - und ein Menschenrecht. Schulische Bildung und Erziehung beinhalten nicht nur Sprachen und die Möglichkeit sich auszudrücken, nicht nur Lesen und Schreiben und die Grundrechenarten. Bildung bedeutet viel mehr. In der Schule sollen sich Schüler*innen bestmöglich entfalten. Bildungseinrichtungen sollen Kindern und Jugendlichen begleiten und ihnen die Welt zeigen. Schule soll sie, eingebettet in das gesamte familiäre, kulturelle, soziale, ökologische, ökonomische und politische Leben, befähigen, diese Welt mitzugestalten. Das setzt voraus, die Gesellschaft zu verstehen, sich darin zurechtzufinden, um den eigenen Weg darin zu gehen und an ihr bewusst und handlungsorientiert zu partizipieren. In einer guten Schule gehen Bildung, Erziehung und Selbstermächtigung Hand in Hand. Deshalb muss Schule zwei Dinge leisten: Zum einen soll sie allen Schüler*innen durch qualitativ hochwertigen Unterricht, moderne und sich entwickelnde Pädagogik und gute Ganztagskonzepte die nötigen Kenntnisse mitgeben und Kompetenzen ausbauen. Zum anderen soll sie als Abbild und Teil unserer Gesellschaft allen Kindern, unabhängig von der familiären Migrationsgeschichte oder des sozio-ökonomischen Hintergrundes, barrierefreie, echte Bildungschancen bieten und sie so zu mündigen Bürger*innen mit einem Höchstmaß an Urteilskraft heranwachsen lassen, die aktiv und inklusiv unsere Demokratie und Gesellschaft mitgestalten. Dazu müssen Schulen selbst inklusiv sein und die Möglichkeiten und Ressourcen haben – aber auch institutionelle Diskriminierungen abbauen. Mehrsprachigkeit sowie migrationsbedingte Kompetenzen als Ressourcen müssen wertgeschätzt und konzeptionell in den Schulalltag und Unterricht eingebunden werden. Die Schule muss – ohne auf die Kultur oder den sozialen Status reduzierende oder festschreibende Zuschreibungen - jedes Kind individuell betrachten, vom Kind aus denken, Kinder dort abholen, wo sie stehen. Sie muss sich an der Lebenswelt der Lernenden orientieren, die Stärken des Kindes fördern und Chancengerechtigkeit für alle schaffen. Wir wollen eine Schule nach dem Grundsatz: Es stehen Dir alle Wege in unserer Gesellschaft offen.
Um mehr Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, muss Schule sich so verändern, dass Qualität für alle Schüler*innen gesichert wird. Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass Kinder nicht richtig lesen und schreiben, nicht richtig rechnen können, wir wollen nicht hinnehmen, dass in Berlin immer noch rund 10 Prozent aller Schüler*innen die Schule ohne Abschluss verlassen und es in einzelnen Schulen sogar mehr als 20 Prozent sind. Einige verlassen die Schule - z.T. trotz Schulabschluss - als funktionale Analphabet*innen (In Berlin leben schätzungsweise 320.000 Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren, die nicht oder nur wenig lesen und schreiben können). Auch das wollen wir nicht hinnehmen.
Wir begrüßen die Vielfalt von Abschlüssen in Berlin und streben an, dass jede*r Schüler*in nach Neigung, Begabung und Lernform seinen Weg findet. Um die Schüler*innen dabei optimal zu unterstützen, müssen wir in unserer Gesellschaft an der Akzeptanz der diversen Bildungswege arbeiten. Schüler*innen soll früh vermittelt werden, dass eine Gleichwertigkeit zwischen akademischen, betrieblichen und allen anderen Ausbildungen besteht. Diese Gleichwertigkeit muss sowohl vom Lehrpersonal als auch von allen beteiligten Akteur*innen gelebt, thematisiert und vermittelt werden. Wir ermutigen so Schüler*innen, ihren individuellen Weg in ein selbstbestimmtes und erfülltes Berufsleben zu finden.
Chancengerechtigkeit und die Arbeit gegen Spaltungen in der Gesellschaft sind ein Grundanliegen grüner Politik und ziehen sich durch alle Politikfelder. Wir wollen keine Segregation in Reichen- und Armenvierteln, keine Ausgrenzung nach (zugeschriebener) Herkunft oder Religion, keine Benachteiligung von Kindern, weil sie in Familien in schwieriger Lage geboren werden oder Kinder mit Behinderung sind. Das zu erreichen, geht nur mit einem breiten, intersektionalen Ansatz, der viele Politikfelder einbezieht. Gerade in Zeiten, in denen Spaltung und Diskriminierung das Mittel der Wahl von Rechtspopulist*innen ist, arbeiten wir für ein weltoffenes, inklusives Miteinander. Uns ist bewusst, dass die Bildungspolitik dabei nur ein Baustein sein kann – für uns aber ein zentraler. In Artikel 1 des Berliner Schulgesetzes heißt es: „Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten.“ Wir nehmen dieses Ziel ernst und arbeiten daran, die Voraussetzungen zu schaffen, dass dies in unseren Schulen gelebt und vorgelebt werden kann.
Dass Kinder möglichst lange gemeinsam lernen und sich somit in einem Umfeld bewegen, das die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt, ist dafür ein wichtiger Faktor. Langes gemeinsames Lernen befördert Inklusion – und das bedeutet für uns nicht nur, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen zu unterrichten, sondern jedes Kind so zu akzeptieren, wie es ist. Unser Ziel sind inklusive Schulen in einer inklusiven Gesellschaft. Beides bedingt sich gegenseitig. Ein gegliedertes Schulsystem erschwert dieses Ziel. Darum arbeiten wir daran, soziale Segregation zu überwinden.
Jedes Kind mit all seinen Möglichkeiten und Potenzialen individuell im Blick zu haben, vom Kind aus zu denken und jedes Kind nach den eigenen Stärken und Schwächen zu fördern, ist dabei essentiell; genauso wie Lehrkräfte, die ihren Unterricht binnendifferenziert gestalten. Viele Berliner Schulen haben sich bereits diesen Zielen verschrieben und wir unterstützen jede einzelne Schule, die in diesem Sinne arbeitet. Weil diese Ziele in Gemeinschaftsschulen am besten umgesetzt werden können, ist dies die Schulform, in der unsere Vorstellung von Bildungspolitik am besten verwirklicht wird. Darum setzen wir uns weiter für unser Ziel ein, die „eine Schule für alle“ – also langes gemeinsames Lernen in vielfältigen Gemeinschaftsschulen.
Wir setzen darauf, durch finanzielle Anreize, Ermöglichen und stärkere Förderung alle Schulen von diesem Konzept zu überzeugen. Gleichzeitig richten wir unsere Politik darauf aus, längeres gemeinsames Lernen für alle Kinder zu erreichen.
Um für die Bildung unserer Kinder das Beste zu erreichen, dürfen wir Schule nicht isoliert betrachten. Wir wollen Schulen in ihrem Kiez gestalten und breite Beteiligung beispielsweise bei Neubauten von Schulen ermöglichen. Wir wollen die Räumlichkeiten für Vereine und Initiativen öffnen und die Mensa zum Treffpunkt auch für ältere Menschen machen. Wir wollen mehr und engere Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, den Volkshochschulen und Musikschulen sowie mit Kitas und Familienzentren und wir wollen Kooperationen mit Betrieben, Künstler*innen und Sportvereinen fördern.
Und: Gute Schule funktioniert nur in enger Zusammenarbeit mit den Familien. Diese sind von Anbeginn an der wichtigste Schlüssel für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und wesentlich an der erfolgreichen Bildung der Kinder beteiligt. Wir unterstützen daher die Entwicklung und Stärkung von Erziehungspartnerschaften zwischen Schulen und Familien, in denen diese sich – auch zusammen mit den Kindern – regelmäßig und kompetenzorientiert über die jeweiligen Zielsetzungen und Wege einigen.
Wichtig ist uns, dass sich eine gute soziale Durchmischung in der mitwirkenden Elternarbeit, ob in Gremien oder bei Schulfeiern, an allen Schulen widerspiegelt; denn nicht alle Eltern können das immer leisten. Gerade dann sollen Schulen durch eine begleitende Familienarbeit und Familien durch Bildungsbegleiter*innen empowert werden, aktive Elternarbeit machen zu können, um nicht nur das Kind, sondern im Zweifel die Familie dort abzuholen, wo sie ist. Dabei gilt es, Elternarbeit mit Erwachsenenbildung zu verknüpfen, damit Eltern den Bildungsweg ihrer Kinder proaktiv mitgestalten können und ihre demokratischen Einflussmöglichkeiten an Schulen ausschöpfen können. Eltern, die nicht im deutschen Bildungssystem sozialisiert worden sind, sollen die Möglichkeit erhalten, sich neben der deutschen Sprache entsprechend ihres Sprachniveaus schul- und bildungsbezogenes Wissen anzueignen.
Um unserer Vorstellung von guter Bildung näher zu kommen, müssen wir in der Realität ansetzen. Das Berliner Schulsystem kämpft mit einem dramatischen Mangel an Lehrkräften, viele Gebäude sind marode, von Chancengerechtigkeit und Inklusion kann für viele Kinder und Jugendliche keine Rede sein. Wir haben unser Ideal guter Bildung vor Augen, wissen aber, dass es vieler kleiner Schritte bedarf, um Dinge zu verbessern. Der Weg zu konkreten Maßnahmen beginnt mit dem Betrachten der realen Situation in den Schulen Berlins.
Raus aus dem Ausnahmezustand: Für eine andere Berliner Schulpolitik
In Berlin leisten Tausende von Lehrer*innen, Erzieher*innen, Sozialpädagog*innen, pädagogische Unterrichtshelfer*innen, Betreuer*innen, Schulhelfer*innen, Schulleiter*innen und Mitarbeiter*innen der Schulaufsicht tagtäglich einen großartigen Job. Sie arbeiten voller Leidenschaft, Empathie und Fürsorge für die Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt und leisten damit einen unschätzbaren Beitrag sowohl zum gesellschaftlichen Zusammenhalt als auch für die Startchancen ins Leben der einzelnen Schüler*innen. Doch wer in Berlin Pädagog*in ist, sieht sich jeden Tag vor einer Vielzahl von großen Herausforderungen.
Das zentrale Problem ist: Die Qualität des Berliner Schulsystems schafft es nicht, alle Schüler*innen zum für sie bestmöglichen Abschluss zu bringen. Seit Beginn der internationalen und nationalen Vergleiche von Schülerleistungen, die wir im Hinblick auf die Grenzen ihrer Aussagekraft durchaus kritisch sehen, weil häufig wichtige soziale Komponenten der schulischen Bildung vernachlässigt werden, ist deutlich geworden, dass Berliner Kinder und Jugendliche in allen Schulformen schlechter abschneiden. Besonders gravierend ist, dass arme Kinder und Jugendliche mit so genanntem Migrationshintergrund seit Jahrzehnten schlechtere Ergebnisse und Abschlüsse haben und oft bei gleicher Leistung schlechter bewertet werden. Dies bleibt ein Problem, das wir gezielt angehen wollen. Die neuesten Ergebnisse der IQB-Studie sind besonders im Hinblick auf die Schwächsten in Berlin alarmierend: Gerade die Leistungsschwächsten konnten sich in den letzten fünf Jahren nicht verbessern. Deshalb muss sich die Qualitätssicherung in Berlins Schulen verbessern. Dabei gilt es, den richtigen Ausgleich zwischen zentraler Steuerung bzw. „Aufsicht“ sowie einheitlichen Vorgaben einerseits und dezentralen Entscheidungs- und Gestaltungsspielräumen andererseits zu finden. Eine Gesamtstrategie in diesem Sinne zur Qualitätssicherung von Schule gibt es in Berlin bisher nur in Ansätzen. In deren Mittelpunkt muss die Unterrichtsqualität in allen Schulen aller Schulformen stehen. Die Schulform selber sichert sie nicht, die zentrale Rolle dafür kommt vielmehr den Pädagog*innen zu.
Auch wenn es einen anderen Anschein hat, in Berlin ist in den vergangenen Jahren an Bildungsausgaben im Personalbereich nicht gespart worden. Massiv reduziert wurden die baulichen Mittel und Investitionen. Berlin gibt im Vergleich mit anderen Bundesländern zwar nicht wenig Geld für die Bildung aus. Offensichtlich gibt es aber erhebliche Mängel in der Verteilung der Mittel sowie viel zu späte Einsichten zum Umsteuern. Deshalb haben wir es mit einem dramatischen Lehrkräftemangel zu tun, insbesondere in den so wichtigen Grundschulen.
Die jetzige Situation hat sich lange abgezeichnet. Über viele Jahre wurden zu wenige Lehrkräfte an den Universitäten ausgebildet. Berlin wächst und seit Jahren ist klar, dass mehr Kinder in die Schulen kommen werden, dass Lehrkräfte in den Ruhestand gehen. Auch bei Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen herrscht Fachkräftemangel. Die Senatsverwaltung muss Rahmenbedingungen schaffen, damit diese Fachkräfte auch in Schulen ausgebildet werden können. Was wir nun brauchen sind kurzfristige Lösungen, um die Lage in den Schulen zu verbessern. Wir dürfen darüber aber nicht die langfristige Perspektive aus den Augen verlieren. Der akute Ausnahmezustand darf nicht zum Dauerzustand werden.
Gleichzeitig sind sehr viele Schulgebäude in beklagenswertem Zustand. Kinder müssen in Containern unterrichtet werden, Toiletten sind unbenutzbar, durch die Fenster zieht es in die Klassenzimmer, von den Decken bröselt der Putz, von Barrierefreiheit ist wenig zu sehen. Guter Unterricht, eine kreative Entwicklung und gelingender Ganztag sind unter diesen Bedingungen kaum möglich. Und das ist nur die eine Hälfte der Herausforderung. Denn Berlin wächst, immer mehr Kinder kommen in die Schule. Es ist höchste Zeit, dass wir mehr Geld in die Hand nehmen und die Strukturen so aufstellen, dass bestehende Schulen saniert und neue Schulen zügig gebaut werden können.
Ein weiterer Aspekt bereitet uns große Sorge. Soziale Segregation und soziale Entmischung nehmen immer weiter zu – und zwar sowohl im Hinblick auf Stadtquartiere als auch im Hinblick auf Schulen. So übersteigt der Anteil von Kindern und Jugendlichen of Color oder mit familiärer Migrationserfahrung bereits jetzt in vielen Innenstadtbezirken 50 Prozent. Von Chancengerechtigkeit kann häufig kaum die Rede sein.
Schon in Grundschulen sind die Bedingungen sehr unterschiedlich, weil die Lebensbedingungen im Umfeld der Schulen sehr unterschiedlich sind. Es liegt aber auch daran, dass der Fokus bislang nicht so gelegt wurde, dass die Schulen mit den schwierigsten Bedingungen die besten Ressourcen zur Verfügung haben. Bei den weiterführenden Schulen ist ein regelrechter Wettlauf unter Eltern und Schüler*innen um die Plätze an den „guten“ Schulen Berlins entbrannt. Ob bei Gemeinschaftsschulen, Integrierten Sekundarschulen (ISS) oder Gymnasien – es gibt Schulen, die sich ihre Schüler*innen aussuchen können und dies auch über die Zeugnisnote tun. Daneben gibt es Schulen, die Mühe haben, Schüler*innen anzuziehen. An diesen Schulen sammeln sich häufig Kinder, die es schwieriger haben, zum Beispiel weil sie nicht die nötige Unterstützung bekommen.
Eine andere Dimension der Spaltung macht uns auch zunehmend Sorgen. In Berlins Schulen gibt es nach wie vor Gewaltvorfälle, Mobbing und Diskriminierung aufgrund von (zugeschriebenem) Migrationshintergrund, Namen, Religion, „Hautfarbe“, Äußerem, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, sozio-ökonomischem Hintergrund oder Behinderung. Lehrkräfte bewerten Schüler*innen ungerecht, weil sie muslimischen Schüler*innen, deren Eltern keine Akademiker*innen sind, Kompetenzen und Fähigkeiten absprechen oder sogar Defizite zuschreiben. Auch Pädagog*innen of Colour bzw. mit (zugeschriebenem) Migrationshintergrund machen viel zu oft Diskriminierungserfahrungen in Berliner Schulen.
Nur ein Bruchteil der Lehrkräfte, der Eltern sowie der Schüler*innen wagt es jedoch, sich gegen diskriminierende Benachteiligungen und Demütigungen zu wehren. Dies hat aber Konsequenzen: Diskriminierungserfahrungen wirken sich nicht nur negativ auf die körperliche und seelische Gesundheit aus. Bei den Schüler*innen gefährden sie auch Lernerfolge, Bildungschancen und den Umgang im Schulalltag. Es gibt viele gute Projekte, aber keinen systematischen Umgang mit Diskriminierung. Vielerorts fehlen klare Interventions- und Beschwerdestrukturen und eine Strategie für den Umgang mit Vielfalt.
Diese Spaltungen wollen wir überwinden – sowohl die Spaltung zwischen den Schulen als auch die Spaltungen und Diskriminierungen in den Schulen. Unser Ziel ist es, das Recht auf diskriminierungsfreie Bildung sicherzustellen. Wir wollen, dass an jeder Berliner Schule eine demokratische Schulkultur und ein wertschätzendes Schulklima möglich wird.
Nicht zuletzt sind Berlins Schulen nicht auf die Zukunft – und eigentlich auch nicht auf die Gegenwart – vorbereitet. Denn diese Zukunft ist auch digital, Berlins Schulen sind es nicht. In den meisten Schulen gibt es noch nicht einmal einen Internet-Zugang und WLAN mit ausreichender Kapazität, wie sie für flächendeckende Nutzung digitaler Medien benötigt werden. An eine gute Ausstattung mit Computern ist ebenfalls nicht zu denken, geschweige denn an Geräte, die im Unterricht und zuhause von den Schüler*innen und Lehrkräften genutzt werden könnten. Auch das für die Wartung von Hard- und Software nötige Personal fehlt. Lehrer*innen müssen digitale Arbeitsmittel und -methoden beherrschen, es ist ihnen aber nicht zuzumuten, auch noch zu Techniker*innen zu werden. Zukunft bedeutet aber auch, dass fach- und allgemeinpädagogische Ansätze überdacht und neu konzipiert werden. Digitalisierung bringt große Chancen für die Schule ebenso wie für die Gesellschaft, aber auch Risiken mit sich. Wir wollen die Chancen nutzen, ohne die Risiken aus den Augen zu verlieren. So muss Schule auf kritischen Umgang mit Medien und Medieninhalten vorbereiten und sich mit Datenschutz und neuen Machtstrukturen in der Gesellschaft beschäftigen.
Was nun zu tun ist – unser Plan für bessere Bildung in Berlin
Es ist viel zu tun, um die Situation an Berlins Schulen zu verbessern. Wir sind uns bewusst, dass wir dabei mehrgleisig fahren müssen. Wir brauchen Akutmaßnahmen für die dringlichsten Probleme und wir brauchen Maßnahmen, die mittelfristig wirken.
Gutes Personal für unsere Schulen
Berlins Schulen brauchen mehr und gleichzeitig gut ausgebildetes Personal. Kurzfristig, aber auch langfristig. Kurzfristig schlagen wir ein ganzes Maßnahmenpaket vor. Teilweise haben wir mit der Umsetzung bereits begonnen und machen Druck auf die Senatsverwaltung für Bildung über unsere Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin. Das, was bislang angeschoben wurde, reicht aber nicht aus.
Um in allen Fächern schnell mehr gutes Personal anzuwerben, wollen wir alle Fächer zu sogenannten „Mangelfächern“ erklären lassen. Damit öffnen wir alle Fächer für Menschen, die zwar ein bestimmtes Fach studiert haben, aber nicht auf Lehramt. Solche Quereinsteiger*innen sind derzeit zentral dafür, den Schulbetrieb überhaupt aufrecht zu erhalten. Bewerber*innen mit der Qualifikation „Deutsch als Zweitsprache“ oder „Deutsch als Fremdsprache“ haben wir ebenfalls den Weg in den Berliner Schuldienst geebnet. Darüber hinaus wollen wir stärker den Quereinstieg für “verwandte Berufsgruppen” wie Kindheitspädagog*innen öffnen. Auch wollen wir schneller ausländische Abschlüsse anerkennen. Für nötige Prüfungen dafür wollen wir die Kosten übernehmen. Entsprechende Sprachkenntnisse müssen vor Beginn des Dienstes in der Schule nachgewiesen werden, dies kann aber auch nach der Anerkennung der Qualifikationen erfolgen. Die Möglichkeit, auch mit nur einem Fachgebiet in den Schuldienst einzusteigen, wollen wir stärker bewerben. Damit muss ein verbindliches Angebot zur Nachqualifizierung in einem zweiten Fach verbunden sein. Wenn Stellen nicht besetzt werden können, wollen wir das Geld direkt den Schulen zur Verfügung stellen, damit vor Ort parallel nach weiteren Lösungen für Engpässe gesucht werden kann – denn wenn Schulen direkt über das Geld verfügen können, haben sie mehr Möglichkeiten, auch kreative Lösungen zu finden: jemand, der beim Kopieren unterstützt, braucht keine pädagogische Ausbildung, entlastet das Lehrpersonal aber dennoch.
Wir brauchen Quereinsteiger*innen, um den Unterricht an den Berliner Schulen aufrecht zu erhalten. Quereinsteiger*innen bringen viele Erfahrungen aus dem außerschulischen Leben mit, wovon Schüler*innen profitieren. Gleichzeitig müssen wir vermeiden, dass sich Quereinsteiger*innen an Schulen ballen. Zu häufig unterrichten viele Fachleute ohne pädagogische Ausbildung an den Schulen, an denen die höchste pädagogische Kompetenz gefragt wäre. Es muss deshalb unser Ziel sein, dass insbesondere diese Schulen für Menschen, die ein Lehramtsstudium absolviert haben, attraktiv sind, damit sich hier der Bedarf an Quereinsteiger*innen im Rahmen hält. Bei Neueinstellungen wollen wir erreichen, dass Quereinsteiger*innen zunächst an den Schulen eingestellt werden, an denen es bislang wenige Quereinsteiger*innen gibt.
Alle befristeten Willkommenslehrkräfte wollen wir sofort entfristen. Sie sind ein unabdingbarer Bestandteil in multiprofessionellen Klassenteams zur Sprachbildung und Integration geflüchteter und traumatisierter Kinder. Lehrer*innen ohne volle Lehrbefähigung (LoVL) wollen wir die Möglichkeit geben, sich mittels Fort- und Weiterbildung so fortzubilden, dass sie die volle Lehrbefähigung und das gleiche Gehalt erhalten wie klassisch ausgebildete Lehrkräfte.
Für unsere schwierigsten Schulen erproben wir ein völlig neues Instrument der Lehrkräftegewinnung: Die Teambewerbung: Der Senat soll gemeinsam mit ausgewählten Schulen mit besonderem Fachkräftemangel eine bundesweit schulspezifische Kampagne ausloben, um jeweils eine qualifizierte und motivierte Gruppe von Lehrkräften zu gewinnen. Denn wir brauchen Pädagog*innen, die Lust und Ehrgeiz haben, gerade an solchen Schulen etwas zu bewegen. Als Anreiz wird vereinbart, dass alle über eine 100%-Ausstattung hinaus gewonnenen Lehrkräfte zur Entlastung des ganzen Kollegiums (kleinere Klassen, geringere Stundendeputate) zusätzlich eingesetzt werden.
Entlastung wollen wir auch schaffen, indem wir den Aufbau von „multiprofessionellen Teams“ schneller vorantreiben. Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen sind ein großer Gewinn für Schulen. Wir setzen uns deshalb für Sozialarbeit an allen Schulen ein. Sie sind auch fester Bestandteil des multiprofessionellen Teams jeder Schule. Den Bedarf an Schulsozialarbeit alleine an den Faktoren Lernmittelfreiheit und “nichtdeutscher Herkunftssprache”, die eine an sich problematische Kategorisierung darstellt, festzumachen, verkehrt daher den Anspruch der Schulsozialarbeit. Denn Schulsozialarbeiter*innen sind für alle Schüler*innen und Familien, unabhängig von sozialer Herkunft und der Familiensprache, da. Sie beraten, begleiten und unterstützen das Kollegium, die Familien und Schüler*innen. Aber die Vielzahl von intransparenten Finanzierungsmodellen (Bonusprogramm, School turnaround usw.) sorgen für prekäre und unsichere Arbeitsplätze. Daher setzen wir uns dafür ein, dass jede Schule mit Schulsozialarbeiter*innenstelle (keine Zwangsteilzeitstellen) entsprechend des Bedarfs ihrer Schüler*innen ausgestattet werden. Weiter werden wir uns dafür einzusetzen, dass dabei alle Arbeitsverträge entfristet werden und damit prekäre Arbeitsverhältnisse von Schulsozialarbeiter*innen endlich ein Ende finden. Gleiches gilt z.B. für Techniker*innen und Verwaltungsstellen, die Lehrkräfte von organisatorischen Arbeiten entlasten. Auch hier wollen wir langfristig eine bessere Ausstattung von Schulen ermöglichen. Dazu werden wir uns dafür einsetzen, dass unabhängig von der Schulform alle Schulen mit mindestens einer Vollzeitstelle im Schulsekretariat als Grundausstattung ausgestattet werden.
Aber auch alle Professionen mit einem „kindnahen“ Tätigkeitsbereich können hilfreich sein, ebenso Künstler*innen, wenn sie einen Zugang zu Kindern und Jugendlichen haben. Entlastung ist auch möglich, wenn die Auswertung der Lernausgangslagen und Vergleichsarbeiten nicht von den Lehrer*innen selbst durchgeführt werden müssten. Die Korrekturen müssen dennoch von ausgebildeten Personen durchgeführt werden, so könnten z.B. im Fach Deutsch die Klausuren von Germanist*innen korrigiert werden. Für diese Gruppe wären dann auch Perspektiven in der Konzeption von Lehrmaterialien oder der fachlichen Evaluation von Unterricht möglich. Wichtig ist, dass wir hier keine prekären Jobs schaffen, sondern Arbeitsplätze, die Menschen Perspektiven geben und gleichzeitig zur Entlastung des pädagogischen Personals beitragen. Ebenso sollte geprüft werden, ob die Entwicklung von Beispiel-Curricula auf der Grundlage der neuen Lehrpläne in den Schulen Anklang fände. Dies würde die Kolleg*innen in der Entwicklung schulinterner Curricula entlasten.
Die derzeitige Problemlage darf nicht zum Dauerzustand werden. Darum ist für uns klar: Nicht-pädagogisches Personal, das wir nun einstellen, muss dauerhaft an den Schulen bleiben können. Zusätzlich muss die Ausstattung mit Lehrkräften schnell wieder angehoben werden. Für alle Studierenden, die derzeit an Berliner Hochschulen auf Lehramt studieren oder in den kommenden fünf Jahren ein Lehramtsstudium aufnehmen, wollen wir bei erfolgreichem Abschluss eine Referendariats- und Einstellungsgarantie im Berliner Schulbetrieb geben. Das kann dazu führen, dass in einigen Jahren eine Ausstattung mit Lehrkräften auch deutlich über 100 Prozent eintritt. Dieses Potential soll in verschiedenen Bereichen genutzt werden. Natürlich muss zuerst darauf geachtet werden, dass Ausfälle vermieden werden. Die zusätzlichen Stunden könnten in vielen Klassen genutzt werden, um Doppelbesetzungen zu ermöglichen, um sich intensiver um die Kinder und Jugendliche kümmern zu können. Außerdem können wir diese Situation zur Qualitätsverbesserung an Berlins Schulen nutzen, beispielsweise durch Teamzeiten und eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung. Arbeit im Team wollen wir generell stärken und uns für eine Kultur des gemeinsamen Arbeitens statt des Einzelkämpfer-Daseins von Lehrer*innen einsetzen – dabei entstehen Synergien und so sparen Lehrkräfte beispielsweise durch gemeinsame Unterrichtsplanung Zeit, die sie an anderer Stelle für die Schüler*innen einsetzen können. Unser Ziel ist es, die Unterrichtsverpflichtung dauerhaft abzusenken. Personalaufbau und Qualitätsverbesserungen gehen Hand in Hand. Wir halten auch am Ziel von Doppelsteckung zur gelingenden Binnendifferenzierung fest.
Um die Ausbildung auf eine gute fachliche Grundlage zu stellen, wollen wir mit den Hochschulen Berlins in Verhandlungen treten, um den Quereinstiegsmaster noch attraktiver zu machen, zum Beispiel durch die Möglichkeit, ihn auch in Teilzeit zu absolvieren. Generell ist uns wichtig, dass das Studium verstärkt auch moderne Unterrichtsmethoden aufgreift, die über den klassischen Frontalunterricht hinausgehen. Das gilt zum Beispiel für fächerübergreifendes Lernen oder für das Einbeziehen außerschulischer Lernorte.
Sowohl beim Quereinstieg als auch im regulären Lehramtsstudium an allen Hochschulen sowie bei der Fort- und Weiterbildung wollen wir Antidiskriminierung stärker auf den Lehrplan bringen– damit Lehrer*innen Diskriminierung in Schulen vorbeugen, erkennen und dagegen vorgehen können. Es gilt aber auch, mehr Lehrer*innen einzustellen, die selbst potenziell von Rassismus oder anderer Diskriminierung betroffen sind. People of Color sind beispielsweise noch viel zu selten in unseren Lehrerzimmern vertreten – sie verstärkt durch gezielte Kampagnen zu werben und mit Förderungsprogrammen zu unterstützen, ist nicht nur ein weiterer Weg, unerschlossenes Potenzial zu nutzen, um dem Lehrkräftemangel entgegen zu wirken, sondern würde vor allem auch dazu beitragen, die Vielfalt unserer Gesellschaft auch in den Lehrerkollegien widerzuspiegeln und stellt von Rassismus und Diskriminierung betroffenen Schüler*innen starke Partner*innen und Vorbilder an die Seite. Wir werden zudem einen besseren Diskriminierungsschutz im Berliner Schulgesetz verankern und wir wollen eine niedrigschwellige, unabhängige Beschwerdestelle einrichten. Zentral ist, dass die Schulleitungen dazu verpflichtet werden, gemeinsam mit allen Beteiligten Strategien für den Umgang mit Vielfalt und gegen Diskriminierung zu entwickeln. Für diese Aufgabe wollen wir die Schulleitungen gezielt unterstützen und auch entlasten.
Gutes Personal gewinnen wir vor allem durch attraktive Arbeitsbedingungen. Die Bezahlung von Lehrkräften ist im Land Berlin vergleichsweise gut, dies wollen wir aber auch für andere Berufsgruppen in Schulen wie beispielsweise für Erzieher*innen erreichen. Dass angestellte Lehrkräfte gegenüber Beamten insbesondere im Hinblick auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder die finanzielle Versorgung im Ruhestand noch deutlich schlechter gestellt sind, lässt sich jedoch nicht leugnen. Wir wollen deshalb prüfen, inwiefern diese finanziellen Nachteile zuerst für alle angestellten Fachkräfte in den Schulen und dann für alle anderen angestellten Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin ausgeglichen werden können.
Ob das Land Berlin als Arbeitgeber für Lehrer*innen attraktiv ist, ist jedoch nicht nur eine Frage der Bezahlung. Deshalb wollen wir in den Schulen einladende Arbeitsumgebungen schaffen – das beginnt mit dem Gebäude, geht über angemessene Arbeitsplätze in Lehrerzimmern und endet bei einem guten Mittagessen mit ausreichend Platz und Pausenzeit. Um mehr junge Lehrer*innen nach Berlin zu holen, wollen wir eine Berufseinstiegsphase ermöglichen, in der Lehrer*innen in den ersten Jahren weniger Unterrichtsverpflichtung bei voller Bezahlung haben – denn gerade in den ersten Berufsjahren ist der zeitliche Aufwand für Unterrichtsvorbereitung und das Korrigieren von Klausuren und Klassenarbeiten ungleich höher. Außerdem sollen jungen Lehrer*innen gezielte Fortbildungsangebote für Berufseinsteiger*innen sowie Supervisionsangebote zur Verfügung stehen.
Schulen sanieren, neue Schulen bauen
Der bauliche Zustand vieler Berliner Schulen ist desolat, zugleich steht Berlin vor einem riesigen Wachstum an Schüler*innen und muss innerhalb kürzester Zeit zehntausende neue Schulplätze schaffen. Die bestehenden Schulen zu sanieren, auszubauen und darüber hinaus noch ca. 60 neue Schulstandorte zu etablieren, ist ein Mammutprojekt. Dafür stellen wir in den nächsten zehn Jahren insgesamt 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Sollte dieses Geld nicht ausreichen, werden wir mehr Geld bereitstellen. Neben der großflächigen Sanierung von Schulen müssen die Schulen die Möglichkeit haben, kleinere Baumaßnahmen wie Akustikmaßnahmen in Mensen usw. in Eigenverantwortung zu vergeben. Dazu ist es notwendig die finanziellen Mittel für den baulichen Unterhalt von Schulgebäuden, die die Schulen schon jetzt erhalten, zu erhöhen und die Vergaberichtlinien zu vereinfachen und die personellen Voraussetzungen in der Verwaltung zu schaffen.
Schule soll ein gesunder, guter Arbeitsplatz sein. Schule im 21. Jahrhundert ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch des Lebens. Wir wollen flächendeckend kostenlose Ganztagsschulen und Inklusion ermöglichen – dazu müssen aber auch die Schulgebäude ein geeigneter Ort sein. Ein Ort zum Lernen und Arbeiten, aber auch zum Essen und Ausruhen; ein Ort zur Bewegung und kreativen Entfaltung, aber auch mit reizarmen Rückzugsräumen. Die Gebäude müssen auf die Bedürfnisse der Kinder und auf unterschiedliche pädagogische Konzepte zugeschnitten werden und für die Anforderungen kommender Generationen offen sein. Von Kinder mitgestaltete Lern- und Lebensorte zeichnen sich durch eine entsprechend positive Innenausstattung aus. Diese räumliche Lernumgebung wird nicht umsonst als „Dritter Pädagoge“ bezeichnet.
Bei Neubauten bedeutet das, dass wir von Beginn an so planen wollen, dass Platz ist für ganztägigen und inklusiven Schulbetrieb. Die Mensen müssen darauf ausgerichtet sein, täglich für alle Kinder und das Personal ein vor Ort frisch gekochtes, warmes Mittagessen zur Verfügung stellen zu können. Wir wollen, dass mehr Lebensmittel regional und saisonal eingekauft werden und es täglich auch vegetarische und vegane Essensangebote gibt, sowie für Schüler*innen mit Allergien und Unverträglichkeiten individuelle Lösungen gefunden werden. Nicht nur die Schüler*innen, auch das pädagogische Personal braucht bei einem Ganztagesbetrieb mehr Rückzugsraum. Aber auch sichere Schulwege müssen bei neu entstehenden Schulen von Beginn an mitgedacht werden. Es kann nicht sein, dass durch Abstimmungsprobleme zwischen Bezirken und Verkehrslenkung Berlin Kinder unnötigen Gefahren ausgeliefert werden.
Auch wenn der Bedarf an Neubau von Schulen groß ist, wollen wir keine Schulen im Standard-Format von der Stange bauen. Schon die Raumknappheit in der Innenstadt erfordert individuelle Lösungen für jeden Schulstandort und dafür entsprechende Ausschreibungen und Ideenwettbewerbe. Neue Schulstandorte sollen dabei nicht vorhandene soziale Infrastruktur in den Bezirken verdrängen. Ist dies aufgrund der Flächenknappheit und gesetzlicher Regelungen zur fußläufigen Erreichbarkeit von Schulen unvermeidbar, fordern wir adäquate Ersatzflächen für die von der Verdrängung betroffene soziale Infrastruktur im Sozialraum. Dafür suchen wir die besten, kreativsten Lösungen mit den höchsten ökologischen Standards. Das Gebäude selbst wollen wir so ökologisch wie möglich gestalten – aus gesunden, nachhaltigen Baustoffen, mit Gründach und dezentraler Regenwasserbewirtschaftung, mit Photovoltaik, intelligenter Leittechnik, mit Fassadenbegrünung und Schulgarten. Bei allen Neubauten soll darauf geachtet werden, dass diskriminierende Praktiken nicht von der Architektur der Schulgebäude reproduziert werden. Dies ist insbesondere bei Toiletten und Umkleideräumen zu beachten. Wir erwarten, dass die Senatsverwaltung hierzu ein Konzept vorlegt. Wir wollen nach Hamburger Vorbild Schulen bauen, die dem gesamten Kiez offen stehen. Nicht nur die Sporthalle und der Schulhof sollen nachmittags und abends für Vereine und Menschen aus der Nachbarschaft offen stehen – wir wollen Möglichkeiten schaffen, dass beispielsweise Stadtteilbibliotheken oder Volkshochschulen die Schulgebäude mitbenutzen, dass Mensen nachmittags als Kiez-Café dienen oder der Schulgarten für Urban Gardening-Projekte genutzt wird. Dazu werden wir die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen und bei der Raumvergabe- und Nutzung die schulische Eigenverantwortung ausbauen und bürokratische Hürden abbauen. Wir wollen, dass die Menschen, die in der Nachbarschaft einer Schule leben, an ihrer Entwicklung teilhaben und Schulbauten immer mit Beteiligungsverfahren durchgeführt werden. Neubauten und Erweiterungen müssen barrierefrei gestaltet werden. Es ist notwendig, die Mehrfachnutzung der Schulräume von Anfang an im Zuge der Schulsanierung und des Schulneubaus konzeptionell mit zu berücksichtigen.
Wir wollen diese Ziele beim Neubau von Schulen berücksichtigen, aber auch bei der Sanierung der Bestandsschulen soweit möglich realisieren. Diese Mammutaufgabe von Schulneubau und Schulsanierung können die Bezirke allein nicht bewältigen. Deshalb haben sich Senat und Bezirke auf eine Aufgabenteilung geeinigt. Das Land übernimmt alle Neubauprojekte und die großen Sanierungsfälle. Die Bezirke sind weiterhin für die mittleren und kleineren Sanierungen sowie den baulichen Unterhalt der Schulen verantwortlich.
Wir finden es skandalös, dass gerade Schulen als öffentliche Gebäude viel zu häufig nicht barrierefrei sind und Schüler*innen mit Behinderung so grundsätzlich ausgeschlossen werden. Im Zuge der großen Sanierungspläne muss Berlin hier tätig werden und die Bezirke beim Abbau von Barrieren aktiv und finanziell unterstützen.
Bei der Umsetzung werden wir mit der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE kooperieren. Die Gesellschaft ist erfahren bei der Abwicklung von Bauprojekten, flexibel in der Mittelbewirtschaftung und kann schnell Personal anwerben.
Unser Ziel ist es, Schulbau und Schulsanierung aus Haushaltsmitteln zu finanzieren. Wir wollen die HOWOGE als Baudienstleister nutzen. Kreditfinanzierung wollen wir, anders als in bisherigen Modellen vorgesehen, vermeiden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Für die öffentliche Hand würden weder Zinsen noch Übertragungskosten fällig werden. Und sowohl die HOWOGE als auch die Bezirke wären in ihrer Finanzplanung um einiges flexibler, als wenn sie sich über viele Jahre durch Erbbaurechte und ein Mieter-Vermieter-Modell gegenseitig verpflichten würden. Da es sich bei Schulbau und -sanierung um ein langjähriges Projekt handelt, sind Haushaltslage und notwendige Prioritäten aber nicht abschließend vorherzusagen. Sollte der Fall eintreten, dass die Haushaltsmittel nicht vollständig ausreichen, ziehen wir Kreditfinanzierungmodelle wieder in Betracht. Denn letztlich steht im Zentrum: Es muss saniert und es muss gebaut werden. Wartezeiten können wir uns nicht mehr leisten.
Qualität und Chancengerechtigkeit brauchen guten Ganztag
Wir wollen, dass alle Kinder bestmögliche Lernbedingungen haben. Grüne Schulpolitik setzt auch auf Ganztagsschulen mit einem gut rhythmisierten Schultag und mehr Wahlmöglichkeiten der Schüler*innen. Lernen in einer Ganztagsschule setzt neue Maßstäbe und eröffnet den Schüler*innen viele Möglichkeiten für vielfältige Lern- und Lebenserfahrungen, die über täglich guten Unterricht hinausgehen. Dabei werden insbesondere die emotionalen, sozialen und kognitiven Kompetenzen der Kinder gefördert und gestärkt. Qualitätsentwicklung im Ganztag und die Entwicklung von Schulqualität gehören zusammen, deshalb müssen verbindliche Qualitätsstandards für die Berliner Schulen entwickelt werden. Um Schulen bei der Ganztagsentwicklung besser zu unterstützen, bildet der Ausbau der Serviceagentur „ganztägig lernen“ eine wichtige Stütze. Die räumliche Situation ist an den Berliner Schulen dafür erheblich zu verbessern. Es muss uns in einem mehrjährigen Prozess gelingen, dass neben den Klassenräumen weitere Flächen für den Ganztag zur Verfügung stehen. 3 m² je Schüler*in pädagogischer Fläche ist für uns dabei eine Richtschnur. Insbesondere die Öffnung des Nachmittagsmoduls für alle Schüler*innen an der Grundschule bietet eine Chance, die Standards im Berliner Ganztag im Rahmen von kooperativer Schulentwicklung qualitativ weiterzuentwickeln. Hier ist die Schulaufsicht vor Ort ebenso gefordert wie die Schulleitungen, das Schulpersonal, die freien Träger der Jugendhilfe sowie die Eltern und insbesondere die Schüler*innen. Es braucht mehr gutes Personal sowie bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung für pädagogische Fachkräfte. Wir unterstützen auch hier das Berliner Bündnis für Qualität im Ganztag in seiner Forderung, den Personalschlüssel schrittweise von derzeit 1:22 auf 1:15 (ein*e Erzieher*in für 15 Schüler*innen) zu verbessern. Die Kostenbeteiligung bei der ergänzenden Förderung und Betreuung sollte sozial gerechter gestaltet werden. Anstelle der völligen Beitragsfreiheit wollen wir eine vollständige Entlastung der Familien mit Transferbezug und eine gerechtere Staffelung der Beiträge für die unteren Einkommensgruppen durchsetzen. Familien mit einem hohen Einkommen oder Vermögen sollten auch weiterhin einen Tageskostenbeitrag für den Ganztag entrichten, welchen wir zur weiteren Qualitätsverbesserung verwenden wollen. Unser Ziel sind vielfältige Gemeinschaftsschulen, unsere Maßnahmen knüpfen aber direkt am aktuellen Schulsystem an, sodass wir zügig zu Verbesserungen kommen können.
Grundschulen – ein guter Start legt den Grundstein einer erfolgreichen Schullaufbahn
Für unsere „Qualitätsoffensive Grundschule“ sind drei Dinge zentral: Kurze Beine, kurze Wege – die Schulen müssen fußläufig und sicher für Kinder zu erreichen sein. Gute Qualität in allen Schulen – darum wollen wir besonders in die Grundschulen investieren, die heute von Eltern verstärkt gemieden werden und parallel jeweils individuelle Strategien zur qualitativen Weiterentwicklung mit den Schulen erarbeiten. Zum Beispiel wollen wir Funktionsstellen zur Weiterentwicklung von Schulen und zusätzliche Stellen zur Verwaltung der Schule finanzieren. Vor allem da, wo Grundschulen besonders viele Kinder, die Unterstützung brauchen, unterrichten, müssen sich die Lehrkräfte voll und ganz auf den Unterricht konzentrieren können. Drittens wollen wir, dass Kinder aus ganz unterschiedlichen Familien in der Grundschule zusammen kommen. Gelingende Übergänge von der Kita zur Grundschule sind hier besonders wichtig. Darum wollen wir bei der Festlegung der Einschulungsbereiche künftig neben den Daten der Bevölkerungsentwicklung auch Sozialstrukturdaten verwenden und Einschulungsbereiche so verändern, dass die soziokulturelle Mischung an den Schulen möglichst ausgeglichen ist. Dazu möchten wir erreichen, dass mehr Kinder die Schule besuchen, in deren Eizugsbereich sie wohnen. Dabei achten wir darauf, dass Geschwisterkinder durch Änderungen bei den Einzugsgebieten nicht auf getrennte Schulen gehen müssen und dass alle Grundschulen und Grundstufen integrierter Schulen fußläufig erreichbar sind.
Weil wir für alle von Anfang gerechte Startchancen wollen, gilt es für Kinder, die zuhause kein Deutsch sprechen und die keine Kita besuchen, dass sie rechtzeitig vor Schulstart die Chance haben müssen, Deutsch zu lernen. Was im Schulgesetz mit der sogenannten "Sprachstandsfeststellung" und anschließend bei Bedarf mit verpflichtender Sprachförderung in der Kita vorgesehen ist, funktioniert in der Praxis in vielen Fällen nicht. Viele Eltern erscheinen nicht zum Test oder melden ihr Kind trotz Aufforderung nicht zur Sprachförderung an. Für die Kinder bedeutet das, von Anfang an in ihren Bildungschancen benachteiligt zu werden. Wir wollen deshalb, dass entsprechende zielgenaue Angebote ausgeweitet werden und drängen darauf, dass das Schulgesetz in Zusammenarbeit mit Jugendämtern und Schulämtern tatsächlich durchgesetzt wird. Dafür braucht es auch Dolmetscher*innen, um Sprachbarrieren zu überwinden.
Der Übergang in eine weiterführende Schule
Der nächste Schritt in der Schullaufbahn eines Kindes ist der Wechsel auf eine weiterführende Schule – in Berlin entweder ein Gymnasium, eine „Integrierte Sekundarschule“ (ISS) oder eine Gemeinschaftsschule. Leider wird dieser Übergang in Berlin zunehmend zu einer Belastung für die Schüler*innen und ihre Familien, weil der Übergang auf die gewünschte Schule so stark vom Notenschnitt aus der Grundschule abhängig gemacht wird, dass selbst mit einem sehr guten Notendurchschnitt der Übergang auf die Wunschschule nicht mehr sicher ist. An anderen Schulen kommen viele Kinder mit schlechteren Noten zusammen, die häufig aus bildungsferneren Familien kommen. Weiterhin zeigen Bildungsstudien, dass Schüler*innen mit Diskriminierungserfahrungen den Schulwechsel als besonders belastend erleben, da sie sich erneuten Stereotypisierungen ausgesetzt fühlen. Diese Entwicklung sorgt bei vielen Eltern für Angst und Frust, Kinder werden schon im Grundschulalter unter Druck gesetzt.
Diese Situation wollen wir nicht länger hinnehmen. Wir wollen allen Kindern gemeinsam mit ihren Eltern gleichermaßen ermöglichen, sich die Wunschschule auszuwählen. Dies ist momentan viel zu häufig nur den Kindern möglich, die einen guten bis sehr guten Notenschnitt haben – und zwar unabhängig von der Schulform, denn nicht nur Gymnasien wählen anhand des Notenschnitts aus, sondern auch die übernachgefragten ISS nutzen diesen Mechanismus häufig. Deshalb wollen wir bei Übernachfrage an weiterführenden Schulen die Schulen motivieren, neben Geschwisterkindern, Härtefällen und Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie Kindern, die in einer Gemeinschaftsschule oder Grundstufe einer ISS aus der eigenen Unterstufe kommen, die Aufnahme der Kinder stärker anhand ihres Profils und einer guten sozialen Mischung festzumachen.
Weitere 50 Prozent der Plätze sollen dann im Losverfahren vergeben werden – wenn Schulen einen höheren Anteil losen wollen, auch mehr. So stellen wir sicher, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben. Wir fordern die Senatsverwaltung auf, die Details für eine rechtsichere Umsetzung dieses Vorschlags auszuarbeiten. Aufgrund der weit reichenden Konsequenzen dieses Vorschlags wollen wir in einem öffentlichen Verfahren alle Beteiligten informieren und das neue Verfahren erklären. Nach 5 Jahren soll überprüft werden, ob dadurch das Ziel einer besseren sozialen Durchmischung erreicht worden ist.
Gleichzeitig beobachten wir mit Sorge, dass sich die Schulplatzknappheit in den kommenden Jahren aufgrund der Bevölkerungsentwicklung noch verschärfen wird. Um allen Kindern einen Platz an einer guten Schule zu garantieren, ist es entsprechend erforderlich, zwei Dinge zu tun. Zum einen muss sichergestellt werden, dass jede Schule qualitativ hochwertigen Unterricht bietet – Instrumente dazu führen wir weiter unten aus. Zum anderen muss so schnell wie möglich für ausreichende Kapazitäten an allen bestehenden und zukünftigen Schulstandorten gesorgt werden; wir erwarten sowohl vom Senat als auch von den Bezirken, dass sie die Schulentwicklungsplanung entsprechend vorantreiben.
Die Förderprognose am Ende der Grundschule wollen wir durch die verpflichtende Schullaufbahnberatung auf Grundlage einer schriftlichen Einschätzung ersetzen, bei der individuell, diskriminierungsfrei und kultursensibel alle möglichen Abschlüsse und Laufbahnen inklusive der späteren beruflichen Bildung vermittelt werden sollen. Es ist an der Zeit, deutlich zu machen, dass das Abitur nicht zwangsläufig für alle Schüler*innen der richtige Weg ist und andere Abschlüsse auch gute, ggf. sogar bessere Startchancen ins Berufsleben bieten.
Weiterführende Schulen
Ist der Übergang geschafft, beginnt die Zeit in einer der weiterführenden Schulen. Unsere Berliner Schullandschaft ermöglicht zwei Wege zu den gleichen Schulabschlüssen: Der eine Weg führt über die integrierten Schulformen: Integrierte Sekundarschulen, berufliche Schulen und Gemeinschaftsschulen. Der andere Weg führt über das allgemeinbildende Gymnasium.
Unter den allgemeinbildenden Oberschulformen hat die Gemeinschaftsschule die meisten Potenziale, Schule von den Kindern und Jugendlichen her zu denken. Durch die konsequente Binnendifferenzierung sind die Gemeinschaftsschulen näher an individualisierten Lernformen als andere Schulen. Um die Möglichkeit zu schaffen, noch individueller auf jedes Kind eingehen zu können, wollen wir, dass Gemeinschaftsschulen auch nach der 8. Klasse von der Bewertung mittels Ziffernnoten abweichen können. Die Sekundarschulverordnung sollte entsprechend verändert werden. Gemeinschaftsschulen zeigen, wie erfolgreich der Gedanke des längeren gemeinsamen Lernens sein kann, aber auch, wie anspruchsvoll diese Arbeit ist. Darum wollen wir die bestehenden Gemeinschaftsschulen darin unterstützen, noch besser zu werden und gleichzeitig daran arbeiten, dass noch mehr Gemeinschaftsschulen in Berlin entstehen. Da auch der Erfolg einer Gemeinschaftsschule mit dem Engagement und der Kompetenz des Kollegiums steht und fällt, wollen wir, dass die Senatsschulverwaltung zusammen mit der GEW eine umfassende Werbe- und Fortbildungskampagne startet, um für neue Gemeinschaftsschulen zusätzliche Lehrkräfte zu gewinnen. Wir begrüßen es, dass mit der Neufassung des Schulgesetzes die Gemeinschaftsschule als Regelschule festgeschrieben wird – dafür haben wir lange gekämpft. Damit haben alle Schulformen eine rechtlich gesicherte Basis, von der aus wir die Berliner Schulen weiter entwickeln wollen, damit an allen Schulen bessere Qualität möglich wird. Wir wollen, dass alle Gemeinschaftsschulen und Integrierten Sekundarschulen Wege zu allen Abschlüssen ermöglichen, das bedeutet auch, diesen Schulen eine eigene Oberstufe zu ermöglichen, wenn dies gewünscht ist oder gegebenenfalls auch durch Kooperationen den Weg zum Abitur frei zu machen. Außerdem wollen wir beim Neubau von Schulen darauf achten, dass künftig – wie im Koalitionsvertrag bereits verankert –vor allem Gemeinschaftsschulen oder Campuslösungen geplant werden. Hierauf werden wir bei der Planung in den Bezirken achten. ISSen und Gymnasien wollen wir ermöglichen, sich auch ohne Grundstufe in Gemeinschaftsoberschulen weiterzuentwickeln. Um die Weiterentwicklung von Gemeinschaftsschulen zu fördern, wollen wir ein Qualitätsprogramm Gemeinschaftsschule auflegen, damit alle Gemeinschaftsschulen allen Schüler*innen optimale Lernbedingungen bieten können. Der Bedarf an gezielter Unterstützung beginnt mit der Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule, z.B. im Fusionsprozess, besteht aber auch beim Aufbau einer Oberstufe. Hierfür wollen wir finanzielle Mittel und Personal zur Verfügung stellen.
Wir verkennen aber auch nicht, dass es auch unter den Gemeinschaftsschulen große Unterschiede gibt. Gute Schule muss in jedem Einzelfall, an jedem Standort immer wieder von Neuem erarbeitet werden. Zahlreiche Gemeinschaftsschulen benötigten auch künftig verlässliche Unterstützung, um ihren Schulentwicklungsprozess voranzubringen.
Die große Stärke des Berliner Schulsystems, dass allen Kindern in Berlin die Wege zu allen Abschlüssen offen stehen, muss für Eltern und Schüler*innen transparenter werden. Obwohl nach der 10.Klasse mehr Schüler*innen in eine berufliche Schule gehen als auf eine gymnasiale Oberstufe, beherrscht die Frage nach dem Abitur weiterhin die öffentliche Debatte und die Schulpolitik. Wir wollen diese Schieflage beenden und die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung stärken und auch nicht länger hinnehmen, dass in Berlin knapp 10 Prozent der Schüler*innen die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Die Schulen, die mit dieser Aufgabe besonders zu kämpfen haben, wollen wir massiv und gezielt in ihrer Entwicklung unterstützen. Dabei muss es neben allen innerschulischen Maßnahmen auch eine umfassende Einbettung der Schulen in eine soziale Stadtteilarbeit geben, in deren Mittelpunkt die Familien der Schüler*innen stehen. Wir sind der Überzeugung: Wenn Schüler*innen länger gemeinsam lernen und der Weg zu allen Bildungsabschlüssen möglichst lange offen gehalten wird, trägt das zu guter individueller Förderung bei. Während Integrierte Sekundarschulen Schulkinder in Niveaustufen einteilen können, lernen Schüler*innen an Gemeinschaftsschulen wirklich integriert, gemeinsam und voneinander. Gemeinschaftsschulen sind deshalb aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen die Schulformen der Zukunft. Sie leben den Gedanken des längeren gemeinsamen Lernens am erfolgreichsten.
Auch an Gymnasien sind viele Lehrer*innen hoch motiviert, wollen für die aufgenommenen Kinder das Beste und mehr Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Offensichtlich zögern aber noch viele Gymnasien, sich der Aufgabe der Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu öffnen. Wir wollen das durch Beratung und Unterstützung ändern, und zusammen mit den Gymnasien erreichen, dass alle nach denselben Regeln wie die ISS oder Gemeinschaftsschulen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf tatsächlich aufnehmen, wenn es die entsprechenden Anmeldungen gibt. Auch die Schulaufsicht ist hier in der Pflicht. Der oben beschriebene Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen wird auch die Schüler*innenschaft auf Gymnasien heterogener machen. Unser Ziel ist, dass die Kinder, die einmal auf dem Gymnasium sind, auch dort zum Abschluss kommen. Das bedeutet einerseits, dass Gymnasien künftig alle Schulabschlüsse nicht nur anbieten, sondern auch fördern sollen. Es ist an der Zeit, deutlich zu machen, dass das Abitur nicht zwangsläufig für alle Schüler*innen der richtige Weg ist. Um eine Gleichwertigkeit zwischen Integrierten Sekundarschulen und Gymnasien herzustellen, möchten wir, dass auch Gymnasien mit den Schüler*innen arbeiten, die sie haben. Wir wissen, wie groß die Belastung durch das Probejahr und das sogenannte „Abschulen“ für die Kinder ist. Deshalb werden wir das Probejahr zu Anfang der Gymnasialzeit und das sogenannte „Abschulen“ von Kindern mit einigen schlechten Zensuren an eine ISS durch andere Maßnahmen ersetzen, die die Förderung des einzelnen Kindes im Blick haben, sodass alle Kinder, die einmal auf dem Gymnasium sind, auch dort zum Abschluss kommen können. Diese Maßnahmen wollen wir zeitnah gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeiten. Lehrkräften, die sich Unterstützung wünschen, greifen wir mit Fortbildungsangeboten zu binnendifferenziertem Lernen unter die Arme.
Verpflichtendes Sitzenbleiben gibt es schon heute nur noch an Gymnasien. In den anderen Schulformen gibt es die Möglichkeit des „freiwilligen Wiederholens“. So wollen wir das auch an Gymnasien einführen. Ferner wollen wir, dass an Gymnasien Sprachförderung und/oder Nachhilfeunterricht z.B. in Mathematik, wie es sie an vielen ISSen gibt, angeboten werden, um die Chancengerechtigkeit zu erhöhen.
Einige Gymnasien nehmen Kinder bereits nach der vierten Klasse auf. Unser Ziel hingegen ist das möglichst lange gemeinsame Lernen. Deshalb werden wir eine verbindliche Grundschulzeit von sechs Jahren durchsetzen. Gleichzeitig sehen wir die Flucht von staatlichen Grundschulen mit großer Sorge. Unser Ziel ist, mit einer Qualitätsoffensive unsere Grundschulen mindestens so attraktiv zu machen wie Schulen in nicht-öffentlicher Trägerschaft oder die Gymnasien, die heute in der fünften Klasse beginnen.
Mittelfristig wollen wir die zentrale Gerechtigkeitslücke schließen und Grundschulen endlich besser unterstützen, dass sie auch in Klasse fünf und sechs alle Kinder bestmöglich fördern können.
Es ist uns bewusst, dass wir damit auch neue Anforderungen an die Gymnasien stellen. Darum wollen wir die Gymnasien mit steigender Übernahme neuer Aufgaben auch entsprechend besser ausstatten und befähigen.
Egal ob Gymnasium, ISS oder Gemeinschaftsschule – es gibt in jeder Schulform Schulen, die sich besonderen Herausforderungen gegenüber sehen. Dies betrifft vor allem Schulen mit einem hohen Anteil von Schüler*innen mit größerem Unterstützungsbedarf. Diese wollen wir gezielt unterstützen. Dazu sollen für diese Schulen die Teile des Bonusprogramms, die sich vor Ort bewährt haben, in die Dauerfinanzierung überführt werden, sodass die Schulen für neue Maßnahmen freie Mittel im Rahmen des Bonusprogramms bekommen.
Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung
Eine Besonderheit des Berliner Schulsystems sind die Oberstufenzentren (OSZ), wo die mit Abstand größte Zahl der Jugendlichen unserer Stadt lernt. Ihre Stärke liegt darin, dass sie vier Bildungssegmente unter einem Dach zusammenfassen: Berufsqualifizierung, Berufsausbildung, Studienqualifizierung und Weiterbildung. Wir wollen die OSZs stärken und die berufliche Bildung insbesondere bei Fragen von Abschlüssen, Anschlüssen, Übergängen, Kooperationen und Oberstufen mitdenken – denn hier bieten sie ungenutzte Potenziale für unsere Stadt. Die Schulplätze müssen insbesondere für schulische Ausbildungen in Mangelberufen ausgebaut werden, damit Schüler*innen mit schlechteren Schulabschlüssen nicht auf kostenpflichtige, private Alternativen ausweichen müssen. Mittelfristig möchten wir für diese Berufe einen Anspruch auf einen Ausbildungsplatz an einer staatlichen Schule einführen.
Wo Kooperationen zwischen ISS und OSZ bestehen, wollen wir diese stärken und weitere Kooperationen – auch mit Gemeinschaftsschulen – unterstützen. Im Zuge der Schulstrukturreform ist dies nicht ausreichend gefördert worden; ein sträfliches Versäumnis, denn dies ist eine einzigartige Chance, die berufliche Bildung als Teil einer gemeinsamen Bildungslandschaft sichtbarer und einen durchgängig integrierten Schulweg möglich zu machen. Bisher war dies aber auch deshalb schwer durchsetzbar, weil in vielen Familien das Abitur nach wie vor als erstrebenswertester Abschluss zählt. Hier gilt es, die berufliche Bildung gleichwertig neben der Allgemeinbildung zu positionieren. Dafür wollen wir die Familien schon ab den Grundschulen gleichberechtigt über berufliche wie akademische Bildungsgänge informieren und durch eine Kampagne, gegebenenfalls auch in Zusammenarbeit mit der IHK und Gewerkschaften oder anderen Akteur*innen, die berufliche Bildung attraktiver machen.
Gleichzeitig sollen alle Schüler*innen entsprechend ihren Neigungen auch in den allgemeinbildenden Schulen die Möglichkeit bekommen, von den Formen des dualen Lernens, wie beispielsweise des Produktiven Lernens, zu profitieren.
Für uns ist entscheidend, dass kein*e Jugendliche*r die Schule ohne Perspektive verlässt. Deshalb wollen wir allen, die ansonsten unversorgt sind, mit Hilfe eines 11. Schuljahres für sie adäquate, anschlussfähige (Aus-)Bildungsangebote machen. Alle Jugendlichen sollen bei diesen Übergängen begleitet werden. Schulen sind mitverantwortlich dafür, dass Jugendliche über ihre Möglichkeiten und entsprechende Anmeldefristen informiert sind. Und wir wollen die Oberstufenzentren als Kompetenzzentren für ihr Berufsfeld fachlich weiter stärken, u.a. durch Ausbau der Lernortkooperation mit den Ausbildungsbetrieben oder durch Zusammenarbeit mit Hochschulen und die gemeinsame Entwicklung dualer Studiengänge.
Generell sind die sich beschleunigenden Veränderungen zu beachten, die mit der digitalen Transformation einhergehen. Berufsbilder verändern sich, manche Berufe verlieren an Bedeutung, während andere neu entstehen. In vielen Branchen werden niedrig qualifizierte Jobs zunehmend durch Roboter ersetzt, während der Bedarf an höher qualifiziertem Personal zunimmt. Auf all dies muss sich die berufliche Bildung beizeiten einstellen, damit sie nicht am Bedarf vorbei ausbildet. Dazu sollte eine Stelle in der Bildungsverwaltung eingerichtet werden, die sich mit den notwendigen Anpassungsmaßnahmen befasst.
Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft
Grüne Bildungspolitik bedeutet, sich zuerst und vor allem für ein starkes öffentliches Bildungsangebot einzusetzen. Wir wollen ein Bildungssystem, in dem eine Vielfalt pädagogischer Konzepte Platz hat – soweit es geht innerhalb des öffentlichen Bildungssystems.
Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft waren oft Vorreiter bei der Erprobung neuer pädagogischer Konzepte. Einige dieser Schulen erproben alternative Schulkonzepte, doch selbst, wenn sie damit positive Erfahrungen machen, werden diese kaum in den Schulbetrieb der staatlichen Schulen überführt. So kommen sie nur einem kleinen Teil von Schüler*innen zugute. Wir fordern deshalb einen Fonds, auf den sich alle Schulen mit Projekten bewerben können, die dann wissenschaftlich begleitet werden. Nach Beendigung des Projektes wird entschieden, ob erprobte Lehr- und Lernmethoden oder Strukturen in den staatlichen Schulbetrieb überführt werden. Bei der Verteilung der Projekte soll darauf geachtet werden, dass diese Gelder stadtweit ausgeglichen verteilt werden und Schulen mit hohem Prozentsatz an Schüler*innen aus Familien mit mindestens einem transferleistungsberechtigten Elternteil sollen bei der Vergabe bevorzugt werden. Gleichzeitig leisten Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft in Berlin einen wichtigen Beitrag bei der Bereitstellung von Schulplätzen. In Berlin werden ca. 35.000 Schüler*innen an 128 dieser Schulen unterrichtet, das sind ca. 10 Prozent der Schüler*innen. Das Grundgesetz bietet die Möglichkeit, Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft zu gründen und setzt gleichzeitig einen engen Rahmen. Zentral ist dabei das so genannte „Sonderungsverbot“. Trotz dieses Verbots zeigen alle vorliegenden Daten, dass in der Realität tatsächlich vor allem Kinder aus bildungsnahen Familien solche Schulen besuchen. Kinder aus ärmeren, bildungsferneren Familien sind wenig zu finden. Wir wollen mit den Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft zusammenarbeiten, um die Heterogenität innerhalb der Schulen künftig zu verbessern. Dazu sollen alle existierenden Schulen ein Konzept vorlegen, wie sie sich für Kinder aus sozial oder finanziell benachteiligten Schichten öffnen wollen. Die Umsetzung des Konzepts muss innerhalb von fünf Jahren geprüft werden. Ein zentraler Aspekt dabei ist, zu garantieren, dass Kinder von Menschen, die Transferleistungen empfangen, nicht ausgeschlossen werden. Deren Beiträge wollen wir verpflichtend für alle Schulen auf null reduzieren. Um überprüfen zu können, welche Fortschritte gemacht werden, wollen wir mehr Transparenz schaffen. Alle Schulen sollen künftig beispielsweise anhand des Berlinpasses erheben, wie viele Kinder aus finanziell schwächeren Familien auf ihre Schule gehen. Derzeit wird in der Bildungsverwaltung an einem neuen Modell zur Finanzierung von Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft in Berlin gearbeitet. Wir wollen, dass die Finanzierung künftig stärker die soziale Verantwortungsübernahme widerspiegelt. Das bedeutet konkret, dass Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft, die mehr Kinder aus ärmeren, bildungsfernen Familien unterrichten, stärker durch die öffentliche Hand gefördert werden. Schulen in nichtöffentlicher Trägerschaft mit einer schlechten, sich nicht verbessernden sozialen Durchmischung, sollen künftig weniger öffentliche Mittel als bisher erhalten.
Für echte Chancengerechtigkeit braucht es echte, bedarfsorientierte Deutschförderung - und die Förderung von Mehrsprachigkeit
Berlin ist seit Jahrzehnten von Migration geprägt; Kinder, die die deutsche Sprache noch lernen und ausweiten möchten, kommen regelmäßig, immer wieder aufs Neue in den Berliner Klassen an. Die hierfür bereits existierenden Konzepte der Sprachbildung – inkludiert in Regelklassen – sollen endlich flächendeckend Anwendung finden. Darüber hinaus müssen Anreize geschaffen werden, dass genügend Menschen sich zu DaZ-Lehrkräften ausbilden lassen.
Mehrsprachigkeit gehört zum Alltag von mittlerweile fast 50 % der Kinder. Diese Lebensrealität ist nach wie vor an Berliner Schulen nicht abgebildet. Wir fordern, dass verschiedene Familiensprachen, entsprechend der Zusammensetzung der Klassen, als ein Unterrichtsfach – ähnlich wie Fremdsprachen – notenrelevant angeboten und wertgeschätzt werden.
Schulen haben explizite und implizite Erwartungen an Schüler*innen im Hinblick auf die Sprachpraxis im Deutschen - auch in Fächern, in denen es nicht um die Sprache geht. Wir wollen die fragwürdige Kategorie "nichtdeutsche Herkunftssprache" abschaffen. Denn: Es gibt einerseits auch monolinguale Kinder, die sich ausschließlich auf Deutsch mit ihren Familien unterhalten und dennoch nicht den schulischen Erwartungen im Hinblick auf die Deutschkenntnisse entsprechen; andererseits kommt es immer wieder vor, dass allein aufgrund von diskriminierenden Zuschreibungspraktiken Schüler*innen der Kategorie „nichtdeutsche Herkunftssprache“ zugeordnet werden – unabhängig ihres tatsächlichen sprachlichen Vermögens im Deutschen - allein basierend auf z.B. phänotypischen Merkmalen, dem Namen, der familiären Migrationsgeschichte. Um allen Kindern Chancengerechtigkeit zu garantieren, müssen sie durch eine geeignete, tatsächlich an ihren individuellen Bedarfen orientierte Förderung in der deutschen Sprache eine Unterstützung erfahren – unabhängig von diskriminierenden Zuschreibungen. Wir fordern daher, dass alle Schüler*innen, unabhängig ihrer Herkunft und ihrer Fähigkeiten in anderen Sprachen, zu einem geeigneten Zeitpunkt nach Schuleintritt an Tests teilnehmen, die ihren Sprachstand in der deutschen Sprache adäquat feststellen, um im nächsten Schritt entsprechend des individuellen Bedarfs der Schüler*innen ein „Deutschförderkonzept“ zu erstellen. Die Finanzierung wird sich dann am individuellen Bedarf jeder einzelnen Schule festmachen. Dabei muss die Senatsverwaltung für Bildung dafür Sorge tragen, dass die hierfür vorgesehene finanzielle Zuwendung ausschließlich zur Deutschförderung eingesetzt wird.
Qualitätssicherung in allen Schulen
An allen Schulen ist uns das Thema Qualitätssicherung ein wichtiges Anliegen. Dabei ist uns eine Mischung an Instrumenten wichtig, die nicht nur Abschlüsse und Notendurchschnitte misst, sondern auch die konkrete Situation von Schulen in den Blick nimmt. Eine Schule mit vielen Kindern aus bildungsnahen Familien hat es leichter, gute Abschlusszahlen vorzuweisen, als eine Schule, die eine viel heterogenere Schüler*innenschaft aufweist. Darum setzen wir uns zum einen für eine Mischung unterschiedlicher Instrumente ein, zum Beispiel aus Schülerbefragungen, Vergleichsarbeiten, ausgefallenen Stunden und Vor-Ort-Besuchen, um die individuelle Situation von Schulen im Detail betrachten zu können. Diese Instrumente wollen wir sowohl in öffentlichen, wie auch in Schulen in nicht-öffentlicher Trägerschaft anwenden. Denn um Schule gestalten zu können, ist es nötig zu wissen, wie es um unsere Schulen bestellt ist. Das geht nur mit guter Forschung und der Erhebung von Daten über unsere Schulen. Mit der Einführung der Lernmittelbefreiung für alle wird uns ein wichtiger Indikator verloren gehen, mit dessen Hilfe es möglich ist, die soziale Mischung von Schulen und Klassen nachzuvollziehen. Wir wollen dieses Defizit künftig durch andere Indikatoren ersetzen und gleichzeitig weiter in die Forschung zu unseren Schulen investieren. Dabei möchten wir eine Sozialberichterstattung Schule auf bezirklicher und Landesebene schaffen, die kontinuierlich die soziale Segregation zwischen Berliner Schulen auch auf Grundlage von Bildungshintergrund und Einkommen untersucht. Zum anderen setzen wir uns dafür ein, dass Schulen den Schüler*innen, die nicht aus akademischen Familien kommen, strukturell die Möglichkeit bieten, ihre Nachteile zu kompensieren, um so die Verantwortung nicht komplett an die Familien zu delegieren.
Dabei steht im Vordergrund nie die Bewertung der Schule, sondern die Identifikation von Verbesserungbedarf und -potential zum gemeinsamen Nutzen.
Die Ergebnisse solcher Untersuchungen sollen als Feedback für Schulen dienen und Verwaltung und Politik ermöglichen, zielgerichteter Problemen entgegenzuwirken. Wir wollen nicht, dass diese Ergebnisse in Form von Ranglisten veröffentlicht werden, um Effekten wie z.B. Stigmatisierung von niedrig gerankten Schulen oder Cream Skimming entgegenzuwirken. Gleichzeitig ist wichtig, dass jede Schule – auch bei schwierigen Bedingungen – Verantwortung sowohl für „ihre“ Kinder und Jugendlichen als auch für die Sicherung der Qualität ihrer Arbeit als Team hat. Ein Schwerpunkt der Qualitätsentwicklung innerhalb der Schulen sollte darin bestehen, intensiv daran zu arbeiten, ihre Selbstevaluationsfähigkeiten auszubauen und die dazu erforderlichen Haltungen bei den Lehrkräften zu entwickeln. Die bisherige Nutzung der vorhandenen Portale für Lehrer-Schüler-Feedback zum Unterricht ist noch viel zu gering. Alle schulischen Fachkräfte sollen als Teil ihrer Arbeit Supervision in Anspruch nehmen können. Insgesamt ist eine bessere Verzahnung von interner und externer Evaluation als ein vielversprechender Ansatz für Schulentwicklung zu fördern. Schulen und Schulaufsicht müssen in der Nutzung von externen und internen Evaluationsergebnissen künftig noch stärker fachlich unterstützt werden. Die externe Schulevaluation/Schulinspektion stellt ein wichtiges Instrument zur Qualitätsentwicklung dar, das erheblich mehr Potential enthält als bisher sichtbar geworden ist. Dieses lässt sich aber nur nutzen, wenn die erforderlichen Verknüpfungen mit anderen Elementen der Qualitätsentwicklung und -sicherung planvoll vorgenommen werden. Eine Gesamtstrategie in diesem Sinne gibt es in Berlin bisher nur in Ansätzen.
Die Schule der Zukunft gestalten – Digitalisierung und Nachhaltigkeit in die Schulen bringen
Heutzutage wachsen Kinder in einer wesentlich schnelllebigeren Welt auf als jede Generation zuvor. Ausgelöst durch die Entwicklung digitaler Technologien nimmt die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts insgesamt rasant zu; in der Folge verändern sich Kommunikationsbeziehungen und sozioökonomische Bedingungen, alles wird komplexer, Berufsbilder verschwinden und entstehen neu, berufliche Anforderungen steigen. Die inhärente Undurchsichtigkeit der auf Bits und Bytes beruhenden Technik und ihre zunehmende Durchdringung erfordern mehr Kompetenzen, um sie nicht nur bedienen, sondern auch die mögliche Auswirkungen des eigenen Handelns durchschauen und Gefahren abwehren zu können. Die Digitalisierung kann aber auch zu effektiverem Lernen, differenzierterem Unterricht und motivierteren Schüler*innen führen. Auf all die neuen Aufgaben und Möglichkeiten muss sich das Berliner Schulwesen dringend einstellen und dazu muss die Digitalisierung endlich entschlossen und umfassend in Angriff genommen werden. Pädagogisches Personal soll Schüler*innen auf ein Leben in einer digitalisierten Zukunft vorbereiten, die sie noch nicht kennen können und sie befähigen, diese Zukunft zu gestalten; dabei können sich viele noch nicht einmal in der Technik von heute sicher bewegen. Wir müssen uns daher Gedanken über veränderte Lernziele und -Inhalte ebenso wie über veränderte Unterrichtsformen machen, passende Fort-, Weiterbildungs- und Schulentwicklungsangebote bereitstellen und die Menschen in der Lehrerausbildung entsprechend vorbereiten.Wir dürfen nicht dem Trugschluss unterliegen, Digitalisierung als eine rein technische Herausforderung zu begreifen. In einer digitalisierten Welt nimmt die intrinsische Motivation eine noch bedeutendere Stellung ein. Berlin soll daher auf die Förderung dieser seinen Schwerpunkt legen
Die beste Ausbildung nützt jedoch nichts, wenn die Ausstattung an den Schulen nicht den Anforderungen eines zukunftsorientierten Unterrichts entspricht. Wir fordern deshalb, dass alle Schulen ausreichende, ihrem jeweiligen Medienkonzept entsprechende Ausstattung mit Computern und anderen Endgeräten bekommen und mit aktueller, zukunftsfähiger Netzinfrastruktur wie beispielsweise Breitbandanschluss und WLAN in allen Unterrichtsräumen versorgt werden. Zur digitalen Infrastruktur gehören darüber hinaus auch Schulclouds, Lernmanagementsysteme, Medienserver und andere Dienste, die zentral zur Verfügung gestellt werden und sowohl in der Schule als auch von Zuhause aus nutzbar sind. Die beschaffte Hardware soll in ihrer Produktion, gerade auch wegen der Vorbildfunktion der öffentlichen Institution Schule, sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Hard- und Software müssen verlässlich gewartet und Lehrer*innen bei ihrer Verwendung unterstützt werden – IT-Personal an allen Schulen und eine Support-Hotline sind dafür unumgänglich.
Digitalisierung an der Schule heißt, Schüler*innen auf das Leben in der digitalisierten Welt vorzubereiten. Dabei gilt es, sowohl Chancen als auch Risiken der Digitalisierung zu sehen. Dafür müssen auch im digitalen Bereich außerschulische Lernorte und Kooperationspartner*innen selbstverständlicher Bestandteil von Schule werden. Wie auch in anderen Bereichen ist es das Ziel von Bildung, mündige Bürger*innen zu erziehen, die mit der Kompetenz ausgestattet sind, mit Medieninhalten kritisch umzugehen, und ihnen die zur Bewältigung des Lebens und Arbeitens erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. Schüler*innen müssen lernen, wie sie Medien nutzbringend einsetzen können, aber auch, wie sie beispielsweise Unwahrheiten erkennen, verschiedene und differenzierte Quellen finden und diese für ihre Meinungs- und Urteilsbildung nutzen, auf Cybermobbing reagieren, Überwachung vermeiden, Identitätsdiebstahl und andere Angriffe abwehren und auch die Rechte anderer Menschen wahren können. Der Einfluss großer Konzerne und der Handel mit Daten sind genauso problematisch wie die Tatsache, dass zu häufiger Medienkonsum zu Konzentrationsschwächen und anderen Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Deshalb wollen wir Medienpädagogik und digitale Technik von Anfang an zusammen denken. Denn Digitalisierung ohne Medienpädagogik ist genauso wertlos, wie eine gute Medienpädagogik ohne die entsprechende Technik. Und auch im Hinblick auf die Digitalisierung müssen wir soziale Ungerechtigkeiten im Blick behalten: Schüler*innen aus ärmeren Familien werden auch beim digitalen Wissen schnell abgehängt (Stichwort „Digitale Kluft“). Nicht alle Familien haben eigene mobile Endgeräte. Der Besitz eines eigenen Geräts darf keine Voraussetzung für den Schulbesuch sein, vielmehr wollen wir Schulen nach und nach damit ausstatten, sodass Schüler*innen sie inner- und außerhalb der Schule kostenlos nutzen können. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass an Schulen möglichst kostenlose opensource Software wie beispielsweise das Betriebssystem Linux verwendet werden kann. Auch die Lehrkräfte müssen mit den erforderlichen Geräten ausgestattet werden, wenn wir von ihnen erwarten, dass sie im Unterricht moderne Technik einsetzen. Bei der Beschaffung der elektronischen Ausrüstung dürfen allgemeine digitalisierungspolitische Aspekte wie Datenschutz- und Sicherheit, ökologischer Fußabdruck, Produktionsbedingungen usw. nicht übersehen werden.
Wir erwarten, dass die Senatsverwaltung die derzeitige Situation beendet, in der es kein klares Gesamtkonzept gibt und jede Schule und jeder Bezirk eigene Lösungen sucht, ohne zu wissen, welchen Anforderungen sie eigentlich gerecht werden müssen. Dazu soll sie einen umfassenden Medien- und Digitalisierungsentwicklungsplan vorlegen, der den Weg weist zu einer anforderungsgerechten technischen Ausstattung der Bildungseinrichtungen und der beteiligten Menschen, dem Aufbau der erforderlichen personellen Kompetenzen und der Entwicklung der fach- und allgemeindidktischen Grundlagen. Innerhalb der Senatsverwaltung soll der Bereich Digitalisierung im Bildungswesen gestärkt und personell so ausgestattet werden, dass sie die Vorhaben auch gegenüber den anderen beteiligten Stellen (Innenverwaltung, ITDZ) durchsetzen und zügig ausführen kann und, dass Schulen dort auch Ansprechpartner*innen sowohl zu inhaltlichen als auch zu technischen Fragen finden.
Bildung für nachhaltige Entwicklung
Uns ist es wichtig, dass wir Kindern die Möglichkeit geben, Umwelt und Natur greifbar zu erleben und zu erlernen.
Neben der Wissensvermittlung in den Schulen sollen deshalb in den kommenden Jahren auch zunehmend außerschulische Lernorte als Orte zur Umwelt- und Naturbildung sowie für Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) entwickelt werden. Berlin bietet hierfür nahezu perfekte Bedingungen. Zahlreiche Akteur*innen, wie etwa die Umwelt- und Naturbildungseinrichtungen, Gartenarbeitsschulen und Waldschulen, sind in diesem Bereich bereits tätig und bieten den Schul- und Kitakindern zahlreiche Möglichkeiten.
Wir haben uns in den vergangenen Haushaltsberatungen mit Erfolg dafür eingesetzt, dass die Umwelt- und Naturbildung aber auch BNE in Zukunft ein wichtiger Bestandteil des schulischen, aber auch außerschulischen Unterrichts werden. Es ist uns gelungen, dass Umwelt- und Naturbildungseinrichtungen wie etwa die Freilandlabore Marzahn und Britz mit mehr finanziellen Mitteln unterstützt werden und sie so ihre wichtige Arbeit ausweiten können. Gleiches gilt auch für weitere Initiativen wie etwa den Ernährungsrat, den Verein NAHhaft oder den Imkerverband, die ebenfalls finanziell besser ausgestattet werden. Ein wichtiges Fundament wird schon im nächsten Jahr auch ein Umwelt- und Naturbildungszentrum in jedem Bezirk sein. Die bereits bestehenden Umwelt- und Naturbildungszentren werden finanziell besser gestellt und bestehende Strukturen und Angebote ausgeweitet. Wir wollen, dass jede (Grund-)Schulklasse mindestens einmal im Jahr ein Angebot in den Umwelt- und Naturbildungseinrichtungen wahrnehmen kann.
Schule in der Vielfalt ist inklusiv
Unsere Schülerschaft ist vielfältig und multikulturell. Aber unsere Schulen und das Personal in den Bildungseinrichtungen sind eher monokulturell und monolingual geprägt. Vielfalt kann zu Spannungen führen und oft werden diese durch soziale Unterschiede verstärkt. Das Resultat sind Schulen, die von einigen Familien, die es sich leisten können und wollen, gemieden werden. Nicht selten ziehen Familien aus ihren Kiezen weg, sobald die Kinder im Einschulungsalter sind. Das führt zu mehr Segregation und Spaltung. Gegen diesen Abwärtstrend gibt es kein Patentrezept, dennoch gelingt es vielen Schulen in sozial benachteiligten Gebieten mit Ganztagsbetreuung, Elterncafés, durch Eigenverantwortung und ähnliche Maßnahmen, die Entwicklung zu stoppen und gar umzukehren. Sie beweisen, dass Schulen überall gelingen können.
Das Geheimnis ist eine gute Bildungsqualität und eine diversitätsorientierte Öffnung der Bildungseinrichtung. Vorurteilsbewusstsein und die Anerkennung der Vielfalt unserer Gesellschaft sind dafür unerlässlich. Zur Schule in Vielfalt gehören auch Pädagog*innen of Color und mit diversitätssensiblen Kompetenzen. Darum ist die Reform der Lehrkräfte- und Erzieherausbildung sowie der Rahmenpläne ein wichtiger Baustein zum Gelingen der Schule in Vielfalt. Die Realität der Einwanderungsgesellschaft muss sich in der Ausbildung, in den Rahmenplänen und im Unterricht klar widerspiegeln.
Wir bekennen uns zur UN-Behindertenrechtskonvention und denken „Inklusion“ gleichzeitig viel breiter. Es geht für uns nicht nur um die Idee, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen zu unterrichten – Inklusion bedeutet für uns vielmehr jedes Kind so zu nehmen, wie es ist, unabhängig von sozialer oder ethnischer Herkunft, kultureller Traditionen, religiöser Überzeugung, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität oder von Behinderungen.
Berlin ist auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft schon einige wichtige Schritte gegangen. Rahmenlehrplan und Schulgesetz sind überarbeitet und es sind in allen Bezirken Schulpsychologische und Inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentren (SIBUZ) eingerichtet worden. Es gibt Qualifizierungsprogramme für Schulen und Fortbildungskonzepte für Pädagog*innen. Die bisher vereinbarten 36 inklusiven Schwerpunktschulen sind mit mehr Personal ausgestattet und Kinder mit Autismus und besonderer geistiger, körperlicher oder motorischer Entwicklung lernen in gemischten Klassen. Hier können sehende und nicht sehende, hörende und nicht hörende Kinder miteinander lernen. Diversität ist selbstverständlicher Alltag, nur leider nicht überall gelebte pädagogische Praxis.
Kinder und Jugendliche mit komplexen individuellen Lebenssituationen und Problemlagen müssen überall adäquat unterstützt werden. Dies erfordert tragfähige Strukturen und verlässliche Verfahrensregelungen für alle Verantwortlichen (Schulen, Jugend, Gesundheit, weitere Hilfe- und Unterstützungssysteme). Damit die Unterstützung gelingen kann, müssen die beteiligten Professionen fächer- und institutionenübergreifend zusammenarbeiten, gemeinsame Hilfeplanung stattfinden, Familien und Kinder und Jugendliche beteiligt werden. Ressourcenorientierung und Lebensweltorientierung sind bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Barrierebelastete Schulbauten, eine wenig ausgeprägte Inklusionskultur und mangelhafte Unterstützungsstrukturen müssen endlich in der ganzen Breite der Schulformen und Schulen einer inklusiven Schule weichen und der damit verbundene Rechtsanspruch ohne Ausnahmen im Berliner Schulgesetz verankert werden. Mindestvoraussetzung ist die Streichung von § 37 Absatz 3 BerlSchulG.
Für Kinder und Jugendliche, die vorübergehend oder längere Zeit nicht an den Regelschulen beschult werden können, muss von Anfang an in der Hilfeplanung die Rückkehr an die Regelschule verbindlich mit geplant werden und ein entsprechender Schulplatz möglichst an der Herkunftsschule zur Verfügung stehen. Die abgebende Schule bleibt in der Verantwortung für ihre Schüler*innen.
Wir begrüßen die Berliner Rahmenvereinbarung „Schulische Pflege und Hilfe“ und die Erhöhung der Schulhelferstunden, deren Deckelung wir mittelfristig abschaffen wollen. Nun sollte ein besseres Assistenzkonzept entwickelt werden, das auch die medizinische Versorgung von Kindern abdeckt.
Fachpersonal mit Bezug auf sonderpädagogische Beratung, Diagnostik und inklusiver Schulentwicklung sowie Klassenleiter*innen sollen inklusionsbezogene Anrechnungsstunden erhalten. Zusätzliches Personal für Sprachförderungen wollen wir schülerindividuell stellen und die Begrenzung in der Schülerförderungs- und -betreuungsverordnung abschaffen. Grundsätzlich sehen wir es kritisch, dass inklusionsbezogene Fachkräfte für Vertretungen eingesetzt werden.
Unter Federführung der Senatsverwaltung für Jugend und Familie wollen wir ein Netzwerk Inklusion schaffen. Für Kinder mit besonderen Bedarfen und ihre Familien braucht es ein Lotsensystem, um sie aus dem Dschungel der Rechtssysteme zu führen. Es soll bei den Jugendämtern angesiedelt sein.
Dabei ist uns bewusst, dass Inklusion auch Geld kostet. Dafür möchten wir finanzielle Mittel bereitstellen. Wir wollen mehr Geld, mehr Personal und Weiterbildungen für gelingende Inklusion!
Demokratiebildung und Diversität
Demokratiebildung und Diversität sind zwei Seiten derselben Medaille. Schüler*innen, die früh demokratische Strukturen kennen und schätzen lernen, werden auch im späteren Leben für Vielfalt, Meinungsfreiheit und Menschenwürde eintreten. Wir sind uns bestehender innerschulischer Hierarchien bewusst, wollen sie abbauen und Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in Schule lebendig machen. Schule ist ein demokratischer Ort, wenn Demokratie dort gelebt wird. Demokratie in der Schule muss daher den Hauptgegenstand von Schule, das Lernen, mit umfassen und schließt auch das Zusammenleben in der Schule ein. Demokratie in der Schule macht keinen Sinn, wenn sie nicht auch als Übungsfeld in der Gesellschaft verstanden und gestaltet wird und übt, verantwortlich zu handeln und selbständig zu leben. Kinder und Jugendliche sind Träger*innen eigener Menschenrechte, so die UN-Kinderrechtskonvention und unsere tiefe Überzeugung. In diesem Sinne müssen Schulen befähigt sein, Kinder- und Menschenrechte als Richtschnur für junge Menschen und pädagogisches Personal zu leben.
Wir wollen außerdem den Schülervertretungen, den Bezirksschülerausschüssen sowie dem Landesschülerausschuss mehr echte Mitbestimmungsmöglichkeiten geben. Hier lernen Schüler*innen, Selbstwirksamkeit und Verantwortung zu übernehmen. Nur, wenn ihre Beschlüsse auch tatsächlich etwas bewirken und finanziell beispielsweise durch Schulbudgets unterlegt sind, können diese positiven Effekte auch nachhaltig sein und Politikverdrossenheit entgegenwirken. Wir wollen deshalb auch mehr Schulen motivieren, eigene demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten wie beispielsweise Schulparlamente einzuführen. Auch wollen wir, dass Schüler*innen selbstverantwortlich und selbstbestimmt an der Konzeption und Gestaltung von Projekten und Klassenfahrten mitwirken. Innerschulische Beratung für Diversity und Inklusion kann Materialien zu kultureller und sprachlicher, zu religiöser und weltanschaulicher, zu geschlechtlicher und sexueller, zu sozialer und ethnischer Vielfalt zur Verfügung stellen.
In Berlin gibt es bereits ein aktives Netz für Demokratie- und politische Bildung. Es gilt, diese Angebote bekannter zu machen und Lehrkräften sowie Schüler*innen auch den nötigen (zeitlichen) Freiraum zu geben, diese gemeinsam anzunehmen. Überdies bedarf es berlinweit der Einführung von Kinder- und Jugendparlamenten. Diese wollen wir mit einem Antragsrecht für die BVV ausstatten. Die bereits vorhandenen Beteiligungsstrukturen brauchen Personal, das den Engagierten inhaltlich zur Seite steht. Außerdem dürfen schulische Verpflichtungen die Partizipation nicht hemmen.
Den Klassenrat halten wir für eine sinnvolle, niedrigschwellige Beteiligungsform aller Schüler*innen. Deshalb wollen wir, dass dafür in allen Klassenstufen wöchentlich Zeit eingeräumt wird. Die autoritären Strukturen der Schule stehen im Wiederspruch zum in den Rahmenlehrplänen formulierten Ziel der Selbstwirksamkeit. Wir wollen sie deshalb durch unterschiedliche Maßnahmen aufbrechen. So wollen wir zum Beispiel den Senat auffordern, ein alternatives Bewertungskonzept zu erarbeiten, da Ziffernnoten kaum differenzierte Rückmeldung über individuelle Lernerfolge geben und häufig eher ein Stressfaktor sind und damit die Motivation von Schüler*innen schmälern statt sie zu fördern. Als weitere Maßnahme wollen wir mehr Wahlfreiheit zwischen den und innerhalb der Fächer fördern. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass in einem Schulversuch wie er beispielsweise auch in Baden-Württemberg durchgeführt wird, Gleitzeit für Schüler*innen getestet wird. So kann nicht nur die Eigenverantwortung gestärkt, sondern das Lernen auch dem individuellen Biorhythmus angepasst und damit effektiver werden.
Das künftige Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) wird auch für die Berliner Schulen gelten. Sie sollten ein Ort sein, wo Kinder und Jugendliche in ihren Fähigkeiten gefördert werden, gleichberechtigt lernen und heranwachsen können. Und das natürlich ungeachtet des (zugeschriebenen) Migrationshintergrundes, des Namens, der Religion, der „Hautfarbe“, des Äußeren, der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, des sozio-ökonomischen Hintergrunds, des Alters oder einer Behinderung. Schule muss Entfaltungs-, Lernraum, aber auch „Safe Space“ sein. Schulmaterialien enthalten oft strukturellen Rassismus wodurch Kinder unter anderem schon früh das hegemoniale Machtverhältnis, nach dem unsere Welt funktioniert, beigebracht bekommen. Wir fordern deshalb eine kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit und die Thematisierung von strukturellem Rassismus um Kindern eine Reflexion der heutigen Weltordnung zu ermöglichen. Eine sensible Sprache im Schulalltag ist dafür genauso unerlässlich wie eine Darstellung von Vielfalt im Lehrmaterial, die keine diskriminierenden Denkmuster reproduziert und festigt. Das Schulmaterial muss die Schüler*innen zum kritischen Reflektieren über gesellschaftliche Konstrukte und ihre eigenen Privilegien befähigen. Darüber hinaus fordern wir, dass Schulen fehlerfreundlicher werden. Gerade in den unteren Klassenstufen sollte ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass kein Kind mit allen Fähigkeiten geboren wird und dass (fast) alles erlernt werden kann. Um Diskriminierungen zu vermeiden, muss anerkannt werden, dass nicht alle Kinder die gleichen Möglichkeiten hatten, vor der Schule zu lernen. Die unterschiedlichen Wissensstände müssen durch spezielle Förderung ausgeglichen und so eine Chancengleichheit hergestellt werden.
Damit sich Schüler*innen of Colour über ihre Rassismuserfahrungen - ohne Angst und ohne verurteilt zu werden - austauschen sowie bereits im früher Alter die zu ihnen passenden Copingstrategien gegen Rassismen entwickeln können, ist es unumgänglich, dass es an Schulen geschützte Empowerment-Räume gibt, und Empowermentstrategien in der Schulsozialarbeit eine wichtige Rolle spielen.
Auch Gewalt und Mobbing an Schulen treten wir entschieden entgegen. Bestehende Maßnahmen und Programme müssen auf ihre Wirksamkeit überprüft und unter Beteiligung von pädagogischem Personal, Schüler*innen und Eltern weiter entwickelt werden.
Das LADG wird hier einen sinnvollen Beitrag leisten können, um den Diskriminierungsschutz an Schulen zu stärken. Uns genügt das aber noch nicht. Weitere Maßnahmen wie der Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten oder die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle als Ergänzung zur wertvollen Arbeit der Antidiskriminierungsbeauftragten der Bildungsverwaltung sind notwendig. Wir kämpfen weiter: für rassismuskritische Schulen
Auch bei der Gewährleistung des Kinderschutzes nehmen die Schulen eine wichtige Rolle ein. Nicht nur Diskriminierung, auch Gewalt und Mobbing dürfen niemals toleriert werden. Schulen müssen in die Lage versetzt werden, eine wirkungsvolle Präventionsarbeit zu leisten und zugleich passgenaue Unterstützungsangebote für die Opfer von Gewalt, sexualisierter Gewalt und Mobbing sicherzustellen. Die dafür nötigen Ressourcen für entsprechende Fortbildungen und Sensibilisierungstrainings, wollen wir den Schulen zur Verfügung stellen. Es ist ein Schritt voran, dass Rot-Rot-Grün die Einrichtung von Krisenteams an Schulen verpflichtend festgelegt hat. Die Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ des Unabhängigen Bundesbeauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs begrüßen wir als Ermutigung, unseren Weg fortzusetzen.
Genau hinschauen, um Schule für unsere Kinder zu gestalten
Die Kinder und Jugendlichen, die heute auf die Schulen gehen, haben ihr Leben vor sich. Wir möchten allen jungen Menschen Wege in ein gutes Leben in dieser Gesellschaft ermöglichen. Jedes Kind hat das Recht auf gute Bildung und es ist unsere Verantwortung dafür zu sorgen, dass Kinder genau das bekommen.
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