10.01.12 –
Volker Beck, erster Parlamentarischer Geschäftsführer und menschenrechtspolitischer Sprecher, erklärt zu den Äußerungen des Papstes, der die Ehe für Homosexuelle und das Adoptionsrecht für Homosexuelle verurteilt hat und in diesem Zusammenhang vor "Bedrohung für die menschliche Würde und sogar für die Zukunft der Menschheit" warnt:
"Diese Worte sind ein Angriff auf den säkularen Verfassungsstaat, auf die Menschenrechte und eine humanistisch orientierte Werteordnung. Der Papst ignoriert damit die Menschenwürde der Lesben und Schwulen. So sehr dem Papst bei seinen Appellen zum Ende der Christenverfolgung und - Diskriminierung zuzustimmen ist, so sehr muss man ihm bei seinen Aussagen gegen Lesben und Schwule widersprechen.
Die Gleichberechtigung homosexueller Paare als "Bedrohung für die menschliche Würde und sogar für die Zukunft der Menschheit" zu verteufeln, ist ein Angriff auf die Menschenrechte der Lesben und Schwulen und auf die Religionsfreiheit. Dieser Angriff ist auf's Schärfste zu verurteilen.
Wer die Religionsfreiheit für sich und seine Anhänger einfordert, muss sie auch für andere gelten lassen. Die Vorstellungen der katholischen Kirche zur grundsätzlich unauflöslichen, verschiedengeschlechtlichen Ehe sind nicht die Grundlagen des Zivilrechtes. Das Oberhaupt der katholischen Kirche mag seinen Gläubigen religiöse Vorschriften für ein kirchenformes, katholisches Leben machen. Das ist eine innerkirchliche Angelegenheit. Wenn er sich anschickt, diese Vorschriften als Grundlage der allgemeinen Gesetzgebung zu propagieren, verletzt er die negative Religionsfreiheit aller, die das anders sehen als Rom.
Negative und positive Glaubensfreiheit sind zwei Seiten der selben Medaille.Wer sich nicht für beide Aspekte einsetzt, diskreditiert seinen ganzen Einsatz als unglaubwürdig und taktisch. Der Papst wertet seinen eigenen Kampf für die Freiheiten der Christen zu purer Lobbypolitik für die eigenen Leute herab.
Der Papst verläßt mit seiner Haltung die Grundlagen des II. Vaticanums und dessen großen Erklärung zur Religionsfreiheit DIGNITATIS HUMANE. Mit dem Jesuswort möchte man ihm zurufen: "Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden?" (Matth 5: 46,47)
Die Religionsfreiheit umfasst grundsätzlich 2 Dimensionen:
- die positive Glaubensfreiheit:
-- die individuelle Glaubensfreiheit: den eigenen Glauben ausüben, leben und wechseln zu dürfen.
-- die kollektive Glaubensfreiheit: gemeinschaftlich mit anderen gemeinschaftlich kultische Handlungen zu feiern und mit religiösen Manifestationen nach außen zu treten."