Konsequent gegen Verdrängung und Immobilienspekulation vorgehen – Möglichkeiten eines Wohnungswirtschaftsgesetzes auf Landesebene nutzen

03.06.23 –

Beschluss auf der Landesdelegiertenkonferenz:

Der Koalitionsvertrag des schwarz-roten Senats bleibt in der Wohnungs- und Mietenpolitik weit hinter den Maßnahmen und Vorhaben der rot-grün-roten Koalition zurück. Es drohen eher sogar Rückschritt und Rollback weg vom Kurs einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik hin zu Deregulierung und noch mehr Verdrängung. Zudem finden sich im Koalitionsvertrag von CDU und SPD kaum konkrete Maßnahmen und Gesetze für den Mieter*innenschutz wieder. Zwar wird zum Beispiel das Zweckentfremdungsverbot erwähnt, aber die dringend erforderliche Gesetzesreform, um spekulativen Abriss und Leerstand endlich effektiv zu bekämpfen, soll nicht erfolgen – obwohl eklatante Gesetzeslücken bekannt sind und schnell geschlossen werden könnten. Denn jede Wohnung, die preiswert erhalten werden kann, zählt. Ebenso jede*r Mieter*in, die in in ihrem/seinen Zuhause bleiben kann. Dringend nötig sind auch Maßnahmen wie die Verbesserung der bestehenden Wohnungstauschbörse der landeseigenen Wohnungsunternehmen sowie die Ermöglichung des unternehmensübergreifenden Wohnungstausches bei den großen privaten Wohnungsunternehmen im Rahmen des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“, das der Senat den Mieter*innen zumindest als Pilotprojekt zugesagt wurde.

Es ist leider auch davon auszugehen, dass CDU und SPD den erfolgreichen Volksentscheid zur Vergesellschaftung von Wohnraum börsennotierter Wohnungsunternehmen auf die lange Bank schieben bzw. faktisch beerdigen wollen - denn lediglich ein Rahmengesetz für alle möglichen Vergesellschaftungsbereiche wurde angekündigt, dass erst in zwei Jahren sprich nach der nächsten Wahl in Kraft treten soll – wenn es überhaupt zustande kommt. Die schwarz-rote Koalition verweigert ein konkretes Umsetzungsgesetz in Bezug auf Wohnraum – im Gegensatz zu den Ergebnissen der rot-grün-roten Sondierungsergebnissen, die ein solches Umsetzungsgesetz vorsahen. Der Zwischenbericht der noch vom rot-grün-roten Senat eingesetzten Expert*innenkommission hat die rechtlichen Möglichkeiten für eine Vergesellschaftung insgesamt und grundsätzlich positiv bewertet – Der Abschlussbericht steht kurz bevor und sollte ebenso handlungsweisend für den neuen Senat sein wie für uns, um ein verfassungskonformes Gesetz zu erarbeiten. Wir fordern, dass der Zustimmung von über 59% der abgegebenen Stimmen der Berliner*innen Rechnung getragen wird und der Volksentscheid jetzt umgesetzt wird. Auch aus der Opposition heraus werden wir weiter für die Umsetzung kämpfen.

Der CDU-SPD-Senat plant womöglich mit einem milliardenschweren Ankaufsfonds für Wohnungen durch landeseigene Wohnungsunternehmen den in Schieflage geratenen Immobilienkonzernen wie Vonovia und Co. dringend benötigtes Kapital durchweiterhin überhöhte Verkaufspreise zuzuführen. Insbesondere vor dem Hintergrund notwendiger Maßnahmen für die Wärmewende und kommender Sanierungspflichten, die durch die EU vorgegeben werden, werden sich die Immobilienwertungen vermutlich nach unten verändern – ein Ankauf zum jetzigen Zeitpunkt würde auf einem überhöhten Preisniveau erfolgen. Eine Sanierung der profitorientierten Immobilienwirtschaft mit Steuergeldern lehnen wir ab. Um den Bestand der landeseigenen Wohnungen zu erhöhen, sind wir aber offen gegenüber dem Erwerb zu realwirtschaftlich verträglichen Ertragswerten.

Wir Bündnisgrüne wollen und werden trotz Opposition neben der Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes, der eine Entschädigung unter dem Verkehrswert ermöglicht, weitere ordnungsrechtliche Maßnahmen für den Umbau des Berliner Wohnungsmarktes erarbeiten. Denn unser Ziel ist es, den gesamten Berliner Wohnungsmarkt unter Einbindung der privaten unternehmerischen Wohnungswirtschaft umfassend und möglichst kurzfristig in die Pflicht zu nehmen. Die Versorgung breiter Berliner Bevölkerungsschichten mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum als gesetzlich definierte Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge kann und muss das Land Berlin nicht alleine leisten. Der Berliner Wohnungsmarkt darf im Interesse des Gemeinwohls nicht dem unübersehbaren Spiel der Marktkräfte und dem Belieben des Einzelnen überlassen werden. Öffentliche Daseinsvorsorge, die diesen Namen verdient, kann sich auch nicht mit notdürftiger Versorgung lediglich besonders hilfsbedürftiger Haushalte mit angemessenem Wohnraum begnügen, sondern muss auf die allgemeine Wohlfahrt des Gemeinwesens und die Bedürfnisse sowie die dauerhafte ausreichende Versorgung breiter Bevölkerungsschichten ausgerichtet sein. Private Unternehmen müssen dabei stärker in die Pflicht genommen werden, ihren Wohnraum für das Wohl der Allgemeinheit zu bewirtschaften. Renditegetriebene Wohnungsunternehmen schaden insgesamt den Mieter*innen, weil sie vor allem auf immer höhere Gewinne unabhängig vom Einkommen und zu Lasten der Bausubstanz setzen - zum Nachteil der Mieter*innen und deren Kaufkraft und am Ende auch der Wettbewerbsfähigkeit Berlins - unter anderem weil fehlender Wohnraum fehlende Fachkräfte bedeutet. Zugänge zum Wohnungsmarkt sollten für die Unternehmen mit starken Auflagen verbunden sein und bei Nichterfüllung verwehrt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Beschluss zum Berliner Mietendeckel 2021 zwar die abschließende Zuständigkeit für die Regelung des Mietrechts bzw. die direkte Regulierung der höchstzulässigen Miethöhen durch den Bund festgestellt. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht aber auch festgestellt, dass – anders als von einigen namhaften Juristen behauptet - die Länder weiterhin für das Wohnungswesen zuständig sind. Zudem gibt es durch das Recht der Wirtschaft, das nicht abschließend durch den Bund geregelt ist, in Bezug auf den Wohnungsmarkt weitere landesgesetzliche Möglichkeiten. Neben einem neuen, sozialen Mietrecht brauchen wir dringend eine soziale Wohnungswirtschaft. Es gilt also die rechtlichen Möglichkeiten zur Regulierung des Wohnungsmarkts auf Landesebene insgesamt und endlich auszuloten sowie anschließend auch auszuschöpfen.

Wir Bündnisgrüne werden gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und Expert*innen konkrete Regelungen eines Gesetzes erarbeiten und anschließend ins Berliner Abgeordnetenhaus einbringen.

Ein Wohnungswirtschaftsgesetz soll folgende Maßnahmen umfassen bzw. Lösungen für folgende Probleme anbieten:

  • Ein Miet- und Wohnungskataster, das Eigentümer*innen verpflichtet in Anlehnung an die Beispiele anderer Länder wie Schweden und Dänemark, Informationen zu ihrem Eigentum offen zu legen. Nicht nur für die Marktbeobachtung sind grundlegende und sozialräumliche Informationen zentral, sondern auch für den Wohnraumschutz und für mehr Transparenz auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Daher soll es die Angaben nicht nur zu Lage, Baujahr, Ausstattung, Barrierefreiheit, bauordnungsrechtlichen Genehmigungen, Mietverhältnissen (zum Beispiel Eigenbedarfskündigungen bei umgewandelten Wohnungen) und Miethöhen zumindest bei Einzug, sondern auch über die jeweiligen Verfügungs- und Nutzungsberechtigten sowie die wirtschaftlich Berechtigten enthalten.
  • Eine verpflichtende Tätigkeitsregelung für private Wohnungsunternehmen ab einer bestimmten Wohnungsanzahl.
  • Voraussetzungen sollten unter Anderem sein: eine verpflichtende und angemessene Instandhaltungsrücklage und Verzicht auf Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen.
  • Die Einrichtung eines Landesamtes für Wohnungswesen prüfen. Denn es kann eine Chance sein, die Verwaltungsstruktur dahingehend zu ändern, dass die Zuständigkeit für den Vollzug wohnraumschutzrechtlicher Regelungen zukünftig bei einem zentralen Amt und vor allem nicht mehr bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen liegt. Aber gleichzeitig sollen die bezirklichen Wohnungs- und Stadtentwicklungsämter gestärkt werden.
  • Die Prüfung der Regulierung der Vermietung von möbliertem Wohnraum
  • Die Möglichkeiten, im Rahmen des Gesetzes bessere Regulierungen von Wohnimmobilienver- und ankäufen zu etablieren, um z.B. über Menge und Preis Monopolbildungen oder die Kreditfinanzierung mittels Mieterhöhrungen zu verhindern. Auch Preisobergrenzen sollten dabei geprüft werden.
  • Die Möglichkeiten, im Rahmen des Gesetzes einen verbesserten Schutz vor Eigenbedarfskündigungen sowie Transparenz und Kontrolle dazu einzuführen.
  • Bei Verstößen im Hinblick einer sozialverträglichen Verwendung und Bewirtschaftung des Wohnraums soll der Wohnraum auch entzogen werden können. Genaue Regelungen sind dazu auszuloten
  • Es sollen Auflagen so formuliert werden, dass keine Abrisse von Wohnraum mehr erfolgen. Dazu muss auch die Bauordnung dringend überarbeitet werden.
  • Zudem wollen wir eine stärkere Steuerung und Demokratisierung der landeseigenen Wohnungsunternehmen vorantreiben, unter anderemdurch mehr Mitwirkungsrechte von Mieter*innenräten sowie -beiräten.

Den neuen Senat fordern wir auf, im Zusammenwirken mit anderen Ländern und dem Bundesrat schnellstmöglich Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit wenigstens die wohnungs- und baupolitischen Vereinbarungen des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition vom November 2021 endlich in die Tat umgesetzt werden. Die Berliner Mieter*innen warten insbesondere auf die versprochene Absenkung der Kappungsgrenzen auf elf Prozent, auf eine dauerhafte und wirklich wirksame Mietpreisbremse, auf rechtssichere qualifizierte Mietspiegel mit verbreiterter Bestandsmietenbasis, auf eine dauerhafte Unterbindung von Eigentumsumwandlungen und auf die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Auch sind die Vorkaufsrechte und die Abwendungsvereinbarungen für den Milieuschutz essentiell und müssen in neuer Weise rechtssicher bestimmt werden. Zudem unterstützen wir die Bemühungen der Bundesebene grundsätzlich Wohnungstausch zu ermöglichen.