03.07.14 –
Zur Verhandlungslösung für die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule erklären die beiden Berliner Grünen-Vorsitzenden Bettina Jarasch und Daniel Wesener:
„Wir sind froh und erleichtert über den Kompromiss, den das Bezirksamt gestern mit den verbliebenen Flüchtlingen in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg ausgehandelt hat. Damit entspannt sich die akute Krisensituation vor Ort, die Polizei kann abziehen und der Alltag im Kiez wieder einkehren. Es werden keine weiteren Menschen in das marode Gebäude einziehen, das damit wie geplant zu einem Flüchtlingszentrum und Projektehaus umgebaut werden kann. Wir danken allen, die in den letzten Tagen Verantwortung übernommen und an dieser friedlichen Verhandlungslösung mitgewirkt haben. Alle, die an der Umsetzung des Kompromisses mitwirken, haben unsere volle Unterstützung.
Gleichwohl ist der Kompromiss keine Lösung für die dahinter stehenden Probleme. Wenn die Ereignisse rund um die ehemalige Gehart-Hauptmann-Schule eines gezeigt haben, dann doch wohl: Wir brauchen eine neue Asylpolitik und einen anderen Umgang mit Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen. Beides kann es nur geben, wenn sich alle politischen Ebenen, kommunale, Landes- und Bundesebene, unterhaken. Viel zu lange wurde von den verschiedenen Seiten nur die Verantwortung bei den anderen gesucht oder sich weggeduckt, anstatt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Mit der Duldung der Flüchtlinge auf dem Oranienplatz und in der besetzten Schule wollte der Bezirk zeigen, dass es einen anderen Umgang mit den Protesten von Lampedusa-Flüchtlingen und eine andere Asylpolitik braucht. Zu den Fehlern, die dabei gemacht wurden, müssen wir Grüne uns offensiv bekennen: So hat der Bezirk durch die rechtliche Tolerierung viel zu spät der Öffentlichkeit vermitteln können, dass er selbst die zentrale Forderung der Flüchtlinge nach einem Bleiberecht nicht erfüllen kann. Für die menschenunwürdigen Zustände in dem besetzten Gebäude hatte der Bezirk keine Lösung, solange dort knapp 300 Menschen lebten. Und alle Versuche, das Land in die Mitverantwortung zu nehmen, blieben viel zu lange erfolglos. Positiv ist, dass es letztlich auf Betreiben des Bezirks und im Zusammenwirken mit dem Senat gelungen ist, 500 Menschen vom Oranienplatz und aus der Schule regulär unterzubringen und ihnen zumindest eine aufenthaltsrechtliche Perspektive zu geben. Dennoch ziehen wir das Fazit: Niemand kann wollen, dass sich die Ereignisse in dieser Form wiederholen.
Richtig bleibt, dass damit ein Problem in den öffentlichen Fokus gerückt ist, das uns alle angeht. Jeder, der mit Flüchtlingen zu tun hat, stößt aufgrund der Rechtslage und anderer Realitäten an Grenzen. Das gilt nicht nur für den Oranienplatz und die Gerhart-Hauptmann-Schule. Hier haben sich vielmehr alle Probleme und Fragen, die sich bundesweit im Umgang mit Flüchtlingen stellen, wie in einem Brennglas konzentriert. Perspektivisch braucht es daher eine neue, solidarische Flüchtlingspolitik in der EU, humanitäre Regeln auf Bundes- und Landesebene und praktische Lösungen bei Unterbringung und Integration vor Ort. Das geht nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller Akteure und Ebenen und am besten parteiübergreifend. Wir sind als Grüne zu einer solchen gemeinsamen Anstrengung bereit.“